Sorgfalt bei Technischen Mindestanforderungen – oder: Warum der Zählerschrank nicht heilig ist

zählerschränke
© BBH

Technische Mindestanforderungen der Netzbetreiber – sei es für den Netzanschluss oder für Messeinrichtungen –  spielen in der Praxis eine bedeutende Rolle und sind nicht selten Anlass für Streitigkeiten vor Gericht oder Regulierungsbehörden. Oft gehen diese Auseinandersetzungen zu Lasten des Netzbetreibers aus, wie auch eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14.4.2015 (EnVR 45/13) zeigt.

Zähler gehören in den Schrank?

Geklagt hatte ein Energieversorgungsunternehmen, das bei ihren Kunden im Rahmen eines Wärmelieferungsvertrages Blockheizkraftwerke (BHKW) installiert und betreibt. In das Gehäuse der BHKW sind fernauslesbare Zweirichtungszähler installiert, die sowohl den erzeugten als auch den vom BHKW bezogenen Strom erfassen. Ein Netzbetreiber, an dessen Netz mehrere dieser BHKW angeschlossen werden sollen, lehnte den Netzanschluss unter Berufung auf seine Technischen Anschlussbedingungen (TAB) ab. Seine TAB verlangen, dass Messeinrichtungen in (zentralen) Zählerschränken unterzubringen sind. Zudem sah der Netzbetreiber aufgrund der Betriebstemperaturen im BHKW eine Gefahr für die einwandfreie Messung.

Das Energieversorgungsunternehmen setzte sich hiergegen zu Wehr. Die Bundesnetzagentur (BNetzA), das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf und nun auch der BGH gaben dem Energieversorgungsunternehmen Recht. Denn – so der BGH – auch Technische Mindestanforderungen (wie die TAB) müssen sich an höherrangigem Recht messen lassen; nach Auffassung des BGH führen insbesondere Verstöße gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik zur Unwirksamkeit. Auf Grundlage einer ausführlichen Würdigung und Auslegung einschlägiger VDE-Anwendungsregeln stellt der BGH fest, dass ein aus den allgemein anerkannten Regeln der Technik ableitbares Verbot dezentraler Messkonzepte nicht besteht – das Verbot dezentraler Messkonzepte in den TAB es Netzbetreibers sei daher unwirksam. Zudem seien lediglich abstrakte Möglichkeiten einer Gefährdung der einwandfreien Messung (z.B. wegen der im BHKW herrschenden Betriebstemperatur) nach Auffassung des BGH nicht ausreichend, um einen Messaufbau abzulehnen.

Technische Mindestanforderungen sind kein Wunschkonzert

In der Vergangenheit hat die BNetzA in verschiedenen Verfahren klargestellt, dass sie einen nur engen Spielraum für die Gestaltung technischer Mindestanforderungen (im Messwesen) sieht. In zwei Missbrauchsbeschlüssen der letzten Jahre („Zählersteckklemme“ v. 22.4.2010, Az.: BK6-09-141, und „Energieanschlusssäule“ v. 28.11.2012, AZ.: BK6-12-091) hat die BNetzA klargestellt, dass Netzbetreiber nur solche technischen Mindestanforderungen aufstellen dürfen, die wirklich zwingend erforderlich sind, ohne die es „also nicht geht“. Reine Praktikabilitätsüberlegungen (wie etwa: alle Zähler in einem zentralen Zählerschrank erleichtern die Ablesung) können technische Mindestanforderungen damit nicht rechtfertigen. Für den Netzbetreiber bedeuten dezentrale Messkonzepte in der Regel zusätzlichen Aufwand (insbesondere für die Ablesung – Zähler müssen ggf. erst „gesucht“ werden). Das ist aber nach dem BGH und der BNetzA kein belastbares Argument, um dezentrale Messaufbauten wirksam zu unterbinden. Überdies ist auch eine abstrakte Gefährdung der Messsicherheit kein hinreichendes Argument. Netzbetreiber müssen im Einzelfall konkret nachweisen, dass ein vom Anschlussnehmer gewünschter Messaufbau die Messrichtigkeit beeinträchtigt.

Was ist zu tun?

Auf Netzbetreiber kommt damit sowohl bei der Aufstellung technischer Anschlussbedingungen als auch technischer Mindestanforderungen im Messwesen erhöhter Aufwand zu – die dort enthaltenen Vorgaben müssen darauf überprüft werden, ob (und in welchen Fällen) sie inhaltlich erforderlich sind. Empfehlenswert ist zumindest jeweils eine Öffnung für die konkrete Bewertung im Einzelfall, etwa indem Anforderungen dann nicht greifen, wenn im Einzelfall eine hinreichende Integrität des Messaufbaus und der Messwerte sicher gestellt ist. Auf diese Weise sind TAB und technische Mindestanforderungen als solche nicht ohne Weiteres angreifbar – es bleibt aber der Aufwand der Bewertung des Einzelfalls, der Netzbetreiber nach der Entscheidung des BGH nicht ausweichen können.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Dr. Michael Weise

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