Umsetzung der BVT-Merkblätter: Vier sind nicht immer drei plus eins

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Die Merkblätter der EU zu den „besten verfügbaren Techniken“ (BVT) haben bisher meist eher ein Schattendasein geführt. Sie waren nur im Genehmigungsverfahren zu „berücksichtigen“, außerdem waren sie faktisch von der TA Luft gesperrt. Doch wenn im nächsten Jahr die Umsetzungsfrist für die Industrieemissionsrichtlinie (IED) abläuft und das nach ihren Vorgaben geänderte BImSchG in Kraft tritt, beginnt für die BVT-Merkblätter ein echter Karriereturbo: Ab Inkrafttreten des neuen BImSchG handelt es sich um zentrale Dokumente, und zwar nicht nur im Verfahren auf Genehmigung von Neuanlagen, sondern auch für bereits bestehende Anlagen.

Wer als Betreiber einer solchen Bestandsanlage bisher hoffen konnte, dass die Mühlen des Gesetz- und Verordnungsgebers gelegentlich auch einmal langsam mahlen, muss sich künftig an eine raschere Gangart gewöhnen. Denn der Schöpfer der IED hat in Art. 21 Abs. 3 eine Frist vorgesehen: In nur vier kurzen Jahren ab Veröffentlichung neuer BVT-Merkblätter soll in Zukunft erst das Regelwerk geändert (in Deutschland durch das Umweltministerium) und dann die Anlage entsprechend umgerüstet werden.

Bei Umrüstungen von Anlagen geht es oft um Millioneninvestitionen, die sorgfältig geplant werden müssen und auch nicht von heute auf morgen realisiert werden können. Kein Wunder, dass manchem verantwortlichen Ingenieur schon heute ganz anders wird. Noch unbehaglicher wird die Situation, bedenkt man, dass der Verordnungsgeber sich ja nicht selten deutlich mehr Zeit lässt, als es für die Betroffenen wünschenswert wäre. Zudem gehört nicht sehr viel Phantasie dazu, sich auszumalen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich ein politischer Streit innerhalb einer Bundesregierungskoalition auch einmal an der Frage festmachen wird, wie ein BVT-Merkblatt umgesetzt wird. Wirtschaftsminister haben beispielsweise über die Frage von Ausnahmen nicht selten andere Ansichten als ihre Kollegen vom Umweltressort.

Dies im Hinterkopf erschien der Kabinettsentwurf des neuen BImSchG vielen Unternehmen bedenklich. Hier sollte die Vierjahresfrist der IED undifferenziert für die Umsetzung des Regelwerks und die Umrüstung der Anlage gelten. Im Extremfall hätte sich also die Bundesregierung 3 Jahre und 364 Tage Zeit lassen können. Dem Anlagenbetreiber wären dann noch 24 Stunden für die Realisierung geblieben. Schlag Mitternacht befände er sich in einem rechtswidrigen Zustand und dürfte die Anlage an sich gar nicht mehr betreiben.

Um dies zu verhindern, wollte der Bundesrat – dem die vollziehenden Landesbehörden und damit die Praxis deutlich näherstehen – die vier Jahre aufteilen: Ein Jahr sollte dem Umweltministerium zugestanden werden, um ein neues BVT-Merkblatt umzusetzen. Die drei weiteren Jahre sollten dann der Praxis gehören.

Die Bundesregierung will diese Beschränkung ihrer zeitlichen Spielräume jedoch nicht mittragen. Zwar gesteht sie zu, dass der § 7 Abs. 1 a BImSchG nun doch eine Einjahresfrist für die BVT-Umsetzung in deutsches Recht enthalten soll. Doch für die Realisierung der neuen Bestimmungen in den betroffenen Anlagen soll weiterhin die Frist von vier Jahren mit der Veröffentlichung des BVT-Merkblatts zu laufen beginnen, und nicht mit dem Inkrafttreten der deutschen Umsetzungsnorm. Geht es nach dem BMU, sollte die Regelung damit künftig folgendermaßen lauten:

„Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist

1. innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Rechtsverordnung vorzunehmen und

2. innerhalb von vier Jahren nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit sicherzustellen, dass die betreffenden Anlagen die Emissionsgrenzwerte der Rechtsverordnung einhalten.“

Der Anlagenbetreiber kann also auch danach nur hoffen, dass der Verordnungsgeber sich bitte, bitte auch immer an sein selbstgestecktes Ziel einer schnellen Umsetzung hält. Da man dem Bundesumweltminister bekanntlich keinen Gerichtsvollzieher ins Haus schicken kann, wenn er in Verzug kommt, sind Zweifel aber wohl kaum ganz unangebracht.

Hier sollte also auf jeden Fall noch nachgebessert werden. Schließlich steigen die Anforderungen an die Modernisierung bestehender Anlage ohnehin ab nächstem Jahr ganz erheblich an. Das Regelwerk der IED – und damit künftig im BImSchG – steckt an sich schon voller Sprengstoff. Auf dem Weg zu neuen Gipfeln der Anlagenüberwachung sollte der Gesetzgeber nicht noch zusätzliche Stolperfallen aufstellen. Wenn sich alle mit der Umsetzung neuer BVT-Merkblätter beeilen müssen, so muss das auch für den Verordnungsgeber gelten.

Wie es mit der IED weiter geht?

  • 1. Lesung Bundestag: 27.9.2012
  • Öffentliche Anhörung im Bundestag: 15.10.2012, 12.00 – 15.00 Uhr
  • Umweltausschuss Bundestag: 17.10.2012
  • 2./3. Lesung Bundestag: 26.10.2012
  • Umweltausschuss Bundesrat: 8.11.2012
  • 2. Durchgang Bundesrat (Plenum): 23.11.2012

Es bleibt also noch Zeit, dem „eigenen“ Abgeordneten zu schreiben …

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

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