Unser Tag der Konzessionen (Teil 2): Erste Arbeitsfassung zum Referentenentwurf des BMWi zu Konzessionsvergaben – weniger statt mehr Rechtssicherheit

Brett Holz Farben
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Heute ist bei Ihrem BBH-Blog bekanntlich der Tag der Kon­zes­sio­nen und Netz­über­nah­men. Wir berich­ten über den Tag ver­teilt über die heu­ti­gen Zustände und die, die in der Pipeline sind. Teil 1 unserer Serie beschäf­tigte sich mit der Sicht von Bundeskartellamt (BKartA) und Bundesnetzagentur (BNetzA) zum Thema. Teil 2 zeigt nun, mit welchem Drehbuch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) die Stakeholder „auf die Bretter schicken möchte“. Kritiker meinen, dieses Bild darf wörtlich genommen werden … So sieht es aus:

Das BMWi hat die erste Arbeitsfassung eines Referentenentwurfs zur Änderung von § 46 EnWG vorgelegt. Darin geht es um die Probleme bei der Vergabe von Gas- und Stromnetzkonzessionen und der Übergabe der Netze vom Alt- an den Neukonzessionär. Die Probleme sind bekannt – doch leider trägt der Referentenentwurf nicht viel dazu bei, sie zu lösen. Er führt nicht zu mehr Rechtssicherheit, sondern wirft vielmehr weitere Rechtsfragen auf. Damit läuft er den Festlegungen im Koalitionsvertrag diametral entgegen.

Der kommunale Gestaltungsspielraum bei der Konzessionsvergabe wird nicht bestätigt oder gar erweitert, sondern gegenüber der derzeitigen Rechtsprechung weiter eingeschränkt. Der durch die Rechtsprechung der letzten drei Jahre – ausgehend von einem falschen Verständnis der Gesetzeslage – eingeschlagene Weg wird nicht nur weiter beschritten, sondern dabei werden auch noch ein paar Gänge zugelegt. Eine europarechtlich mögliche Inhouse-Vergabe an kommunale Unternehmen wird nicht zugelassen. Vielmehr könnten angesichts der vorgesehenen Regelungen zu den Auswahlkriterien wohl überhaupt keine kommunalen Interessen bei der Konzessionsvergabe mehr berücksichtigt werden, was bisher zulässig war.

Der Entwurf widerspricht insoweit auch den aktuellen Novellierungen im Vergabe- und Konzessionsvergaberecht. Politisch gewollt war, Bereiche der Daseinsvorsorge (Energie und Wasser) aus dem Anwendungsbereich der umzusetzenden EU-Richtlinie über die Konzessionsvergabe (RL 2014/23/EU) auszunehmen. Für Strom- und Gaskonzessionen geht der Bundesgesetzgeber nunmehr jedoch weit über diese Richtlinie hinaus.

Ziff. 1 – Wirtschaftlich angemessene Vergütung

Die wirtschaftlich angemessene Vergütung, die im Falle einer Netzübernahme zu zahlen ist, soll sich „in der Regel“ nach dem „objektiven Ertragswertverfahren“ richten. Durch diese Formulierung sind zusätzliche Gerichtsverfahren geradezu vorprogrammiert. In der Praxis entstehen heute schon Streitigkeiten und Verzögerungen dadurch, dass Altkonzessionäre das Ertragswertverfahren nicht als zwingend ansehen, obwohl nur dieses die eingeschränkten Erlösmöglichkeiten durch die Netzentgeltregulierung berücksichtigt und mehrfach gerichtlich sowie vom BKartA und der BNetzA bestätigt wurde. Der Neukonzessionär benötigt vielmehr einen eindeutigen und durchsetzbaren Anspruch, das Netz übertragen zu bekommen, wenn er dafür den objektivierten Ertragswert zahlt. Der Vorbehalt „in der Regel“ verhindert dies, es bleibt zudem unklar, was mit dem Vorbehalt gemeint ist. Missverständlich ist auch der Begriff der „Vertragsparteien“ in Satz 2 der Einfügung, da sich nicht die Parteien des Konzessionsvertrages, sondern Alt- und Neukonzessionär über die Vergütung verständigen müssen. Es ist in der Praxis gerade streitig, ob Regelungen im Konzessionsvertrag des Altkonzessionärs den Neukonzessionär nach der Netzübernahme binden können.

Ziff. 3 – Auswahlkriterien

Die Regelung zu den Auswahlkriterien orientiert sich auf den ersten Blick an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH). Dieser hatte in seinen Grundsatzurteilen (wir berichteten) vom 17.12.2013 (Az. KZR 65/12 und 66/12) eine Inhouse-Vergabe für derzeit unzulässig erklärt und gefordert, die Auswahlentscheidung der Kommune „vorrangig“ an Kriterien auszurichten, die die Ziele des § 1 EnWG konkretisieren. Mit dieser Rechtsprechung hatte sich der BGH von der Absicht des damaligen Gesetzgebers entfernt (Gesetzesbegründung: „Nach welchen Kriterien die Gemeinde ihre Auswahlentscheidung zu treffen hat, wird nicht bestimmt.“, BT-Drs. 13/7274, 21). Die kaum nachvollziehbare Gesetzesauslegung des BGH, die die verfassungsrechtlich gebotene kommunale Selbstverwaltung im Bereich der örtlichen Energieversorgung außer Acht lässt, soll nach dem Entwurf nun gesetzlich implementiert werden.

Der Entwurf erweitert die Gestaltungsspielräume der Kommune nicht, sondern schränkt sie sogar weiter auf nahezu Null ein. Eine Inhouse-Vergabe, wie sie bei der Wasserversorgung und im sonstigen Vergabe- und Konzessionsvergaberecht möglich ist, wird nicht zugelassen. Selbst eine Berücksichtigung kommunaler Interessen bei der Auswahlentscheidung ist nicht vorgesehen. Neben den Zielen des § 1 EnWG können lediglich weitere „netzbetriebsbezogene Kriterien“ nachrangig berücksichtigt werden. Kriterien wie „Einflussmöglichkeiten der Kommune“ oder auch die „Zahlung von Konzessionsabgaben“ und die „Gewährung des Kommunalrabattes“ könnten damit unzulässig sein, obwohl sie selbst vom BGH als zulässig bestätigt wurden. Gleiches gilt für Kriterien wie „Wertschöpfung vor Ort“ oder „Sicherung von Arbeitsplätzen“, die vor den Urteilen des BGH üblich waren.

Die Rechtsunsicherheiten, die bei der Gestaltung von Konzessionsvergaben derzeit bestehen, kann der Entwurf in keiner Weise beheben. So ist in der Praxis umstritten, ab welcher Gewichtung die Ziele des § 1 EnWG „vorrangig“ berücksichtigt werden und welches Gewicht dem Kriterium der Versorgungssicherheit einzuräumen ist (was dem BGH besonders wichtig war). Bei diesen und anderen Fragen ist eine Tendenz in der Rechtsprechung zu erkennen, trotz fehlender gesetzlicher Vorgaben noch weit über die Anforderungen des BGH hinauszugehen, so dass derzeit nahezu jede angegriffene Konzessionsvergabe gerichtlich aufgehoben wird.

Angesichts des derzeitigen Entwurfs wäre es im Sinne der Rechtssicherheit und der noch verbliebenen kommunalen Gestaltungsspielräume immer noch besser, der Gesetzgeber verzichtet ganz auf eine Regelung zu den Auswahlkriterien, bevor er die kommunale Position noch weiter verschlechtert.

Ziff. 7 – Rügeobliegenheit, Präklusion

In den vorgesehenen Vorschriften zu Rügeobliegenheiten und zum Rechtsschutz fehlen klare Fristen und Präklusionsnormen, die für die gewünschte Rechtssicherheit sorgen. Bewerber, die sich beschweren wollen, müssen dies innerhalb von 20 Tagen, nachdem sie über die Auswahlentscheidung informiert wurden, tun. Hilft eine Kommune der Rüge nicht ab, gibt es keine Frist, innerhalb derer sie vor Gericht klagen müssen. Damit verbliebe es bei der in der Praxis häufigen Konstellation, dass über einen teilweise jahrelangen Zeitraum Rechtsunsicherheit besteht, ob ein Konzessionsvertrag wirksam oder unwirksam ist. Dringend erforderlich ist eine Regelung (vergleichbar mit § 101a GWB), nach der unterlegene Bewerber nach erfolglosen Rügen in kurzer Frist klagen müssen und, wenn sie es nicht tun, mit ihren Einwendungen vor Gericht nicht mehr gehört werden (Präklusion). Der Entwurf bleibt insofern sogar hinter der derzeitigen Rechtsprechung zurück, die eine Präklusion annimmt, wenn Bewerber nicht innerhalb bestimmter Fristen einstweiligen Rechtsschutz begehren. Unklar bleibt auch, wer für die Überprüfung von Konzessionsvergaben zuständig sein soll. Derzeit laufen gerichtliche und kartellbehördliche Verfahren teilweise parallel, was zu höherem Aufwand führt und divergierende Entscheidungen nach sich ziehen kann.

Zudem fehlt eine Rügeobliegenheit für das laufende Verfahren (vergleichbar § 107 Abs. 3 GWB), so dass Bewerber ihre Rügen bis zur Auswahlentscheidung zurückhalten können. In der Praxis beschweren sich unterlegene Bewerber regelmäßig, dass die Auswahlkriterien unzulässig waren, obwohl sie diese bereits seit dem Verfahrensbeginn kennen. Dies führt zu langwierigen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten für alle Beteiligten, insbesondere für die Kommunen.

Ziff. 9 – Fortzahlung von Konzessionsabgaben nach Vertragsablauf:

Auch die Regelung zur Fortzahlung von Konzessionsvergaben nach Vertragsablauf führt zu mehr Rechtsunsicherheit. Wann eine Kommune eine „Verzögerung“ „zu vertreten“ hat, werden im Zweifel wieder die Gerichte entscheiden müssen. Bei der Fortzahlung der Konzessionsabgabe nach Vertragsablauf gibt es in der Praxis zumeist keine Probleme, da die Konzessionsabgabe für den Netzbetreiber nur ein durchlaufender Posten ist. Nur wenige Altkonzessionäre berufen sich auf die unklare bisherige Regelung zur einjährigen Fortzahlungspflicht. Rechtssicherheit im Interesse aller Beteiligten würde durch eine bedingungslose Fortzahlungspflicht geschaffen, also durch eine Streichung der vorgesehenen Sätze 2 und 3.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Theobald/Oliver Eifertinger/Axel Kafka/Astrid Meyer-Hetling

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