Versorgungssicherheit im Erdgas – Änderung im Marktdesign?

(c) BBH
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Die Ankündigung möglicher Notfallmaßnahmen durch den Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) hat kürzlich für einige Bewegung im Gasmarkt gesorgt und pünktlich zum Beginn des Winterhalbjahres das Thema Gasversorgungssicherheit aus der Sommerpause geholt. Der L-Gas-Engpass in Nordrhein-Westfalen war Beleg dafür, dass trotz allgemein hohem Gasversorgungsniveau solche Situationen nie völlig auszuschließen sind. Das gilt umso mehr, wenn man die aktuell historisch niedrigen Speicherfüllstände betrachtet. Auch auf rechtlich-regulatorischer Ebene ist vieles in Bewegung. Die einzelnen Marktakteure positionieren sich für die angekündigte politische Entscheidung.

Was war passiert?

Am 14.10.2015 hat der Ausfall einer Verdichterstation am deutsch-niederländischen Grenzübergangspunkt Elten dazu geführt, dass L-Gas in Nordrhein-Westfalen im Netz von OGE knapp geworden ist. Daraufhin teilte OGE seinen nachgelagerten Netzbetreibern großflächig mit, dass eine Gefährdung oder Störung der Zuverlässigkeit der Gasversorgung drohe und man Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 EnWG in Aussicht stelle. OGE hat damit – nach unserer Kenntnis erstmalig – die erste Krisenstufe nach dem Leitfaden Krisenvorsorge ausgerufen. Glücklicherweise ist es nicht zu entsprechenden Kürzungen gekommen. Die Gasversorgung tatsächlich zu drosseln war nicht notwendig.

Der Engpass hat daneben – auch erstmalig – unter Beweis gestellt, dass die neue Ausgleichspreissystematik nach GaBi Gas 2.0 (wir berichteten) wirkt. Hohe Preise für den Abruf von L-Gas-Regelenergie über die Börse haben sich bei NetConnect Germany (NCG) in einem positiven Ausgleichsenergiepreis von 50 Euro/MWh gespiegelt. Das entspricht dem Grenzkostenpreis, den NCG für L-Gas bezahlt hat.

Was soll sich ändern?

National gibt es eine Reihe von Vorschlägen, mit denen die Versorgungssicherheit auch zukünftig auf einem hohen Niveau gehalten werden soll. Diese gehen von der Einrichtung einer strategischen Speicherreserve über Speicherverpflichtungen, einer Stärkung des Demand Side Managements bis hin zur FNB-Stabilitätsreserve. Daneben wird auf europäischer Ebene zudem die Überarbeitung der sog. SoS-Verordnung vorbereitet. Worum handelt es sich genau?

  • Strategische Reserve: Sie wurde von der bayrischen Landesregierung über den Bundesrat in die Diskussion eingebracht. Ähnlich dem Erdölbevorratungsverband soll eine strategische Gasreserve eingerichtet werden. Damit wird beispielsweise für den Ausfall von wichtigen Importen Gas vorgehalten. Finanziert werden könnte dies über eine Pflichtmitgliedschaft der Importeure und Produzenten. Die Kosten liegen je nach Dimensionierung bei ca. 1 bis 1,6 Mrd. Euro pro Jahr.
  • Speicherverpflichtung: Marktteilnehmer zu verpflichten, in Erdgasspeichern ausreichende Mengen vorzuhalten, kann ebenfalls dazu beitragen, in der Heizperiode die notwendige Leistung sicherzustellen. Damit können Mindestfüllstände gesichert werden – ein Anliegen, dass vor allem von der Initiative Erdgasspeicher vorangetrieben wird.
  • Demand Side Management: Einer Gasknappheit kann auch begegnet werden, indem das Abschaltpotential der Industrie erschlossen wird (wir berichteten). In diese Richtung geht ein Vorschlag von DIHK/VCI/VIK. Sie schlagen vor, nach einer Merit Order List abzuschalten. Je nach zu kompensierenden Schäden wird ein Industrieunternehmen dann früher oder später vom Netz genommen. Die eingesparten Mengen werden dann dem Marktgebietsverantwortlichen als Regelenergie zur Verfügung gestellt.
  • FNB-Stabilitätsreserve: Für den möglichen, technisch bedingten Ausfall einer großen Importleitung schlagen die Fernleitungsnetzbetreiber vor, eine Stabilitätsreserve zu errichten. Ähnlich der strategischen Reserve sollen in Speichern Gasmengen für diesen Fall vorgehalten werden und von den Fernleitungsnetzbetreibern eines Marktgebietes verwaltet werden.
  • Stärkung Bilanzkreisabrechnung: Zweites Modul des Vorschlags der Fernleitungsnetzbetreiber ist die Ergänzung der Bilanzkreisabrechnung durch ein zusätzliches Pönalensystem. Neben den Ausgleichsenergiepreisen soll damit ein weiter Anreiz für die aktive Bilanzkreisbewirtschaftung geschaffen werden.
  • Revision der SoS-Verordnung: Auf europäischer Ebene wird derzeit die Überarbeitung der SoS-Verordnung vorbereitet. Als Teil eines „Winter-Packages“ will die Kommission im Januar 2016 einen Vorschlag für die überarbeite Verordnung präsentieren. Eines der Themen der Konsultation war auch die Anpassung des Schutzniveaus. Folge könnte auch eine andere Definition der geschützten Kunden in § 53a EnWG oder aber etwaige Nachweispflichten sein. Daneben wird die Kommission auch die LNG- und Speicherstrategie vorstellen.

Damit liegen bereits eine Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch. Es ist nun an der Politik, daraus eine ausgewogen Entscheidung abzuleiten. Die Speicher-/Versorgungssicherheitsstudie hat dazu schon einiges an Vorarbeit geleistet. Entscheiden muss am Ende aber die Politik selbst.

Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Christian Thole

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