Was der innogy-Deal von E.ON und RWE für Stadtwerkebeteiligungen, Kooperationen und Konzessionsverträge bedeutet

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Rund zwei Monate ist es her, dass E.ON und RWE eine große Transaktion im Hinblick auf die innogy SE angekündigt haben. Der äußerst überraschenden Ad-Hoc-Mitteilung vom 11.3.2018 waren wochenlange Gespräche vorausgegangen. Angekündigt wurde nicht weniger als die Aufteilung der deutschen Energiewirtschaft nach Wertschöpfungsstufen unter den beiden Großkonzernen. Die Überraschung und Dimension des Vorhabens haben die Branche aufgerüttelt. Seitdem herrscht viel Unruhe im Markt, obwohl seither kaum weitere Detailinformationen zur konkreten Umsetzung der Transaktion und zum Zeitplan durchgedrungen sind. Wie sich dieses Geschäft (rechtlich) auf andere Marktteilnehmer auswirken wird, lässt sich daher derzeit noch nicht belastbar sagen. Gleichwohl ist zu erwarten, dass einige Fragestellungen wie z.B. das Schicksal der innogy-Beteiligungen und die Stellung der innogy als Konzessionsvertragspartnerin sowie ihrer Tochtergesellschaften virulent werden könnten.

Was ist bisher bekannt?

Nach der Ankündigung von E.ON und RWE sollen das Netz- und Vertriebsgeschäft bei E.ON und das Erzeugungsgeschäft v.a. mit Erneuerbaren Energien bei RWE gebündelt werden. Kern der Transaktion: RWE überträgt ihre 76,8 Prozent der Geschäftsanteile an ihrer Tochter innogy auf E.ON, was einen Kontrollwechsel bedeuten würde. E.ON hat am 27.4.2018 das freiwillige Übernahmeangebot veröffentlicht. Die Annahmefrist läuft am 6.7.2018 ab. Die Transaktion soll möglichst im Jahr 2019 abgeschlossen sein. Zuletzt ist bekannt geworden, dass die am tschechischen Netzgeschäft von innogy beteiligte australische Investmentgesellschaft Macquarie Rechte aus einer Change-of-Control-Klausel geltend machen will.

Mögliche Auswirkungen der Transaktion

Neben kartellrechtlichen Fragen stehen aus kommunaler Sicht im Wesentlichen zwei Themen im Vordergrund: Der Kontrollwechsel (auch sog. „Change-of-Control“) und die sog. „Vinkulierung“. Damit ist gemeint, dass die Transaktion auch weitere gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungsmaßnahmen nach sich ziehen könnte, im Zuge derer über Geschäftsanteile an Stadtwerken verfügt wird, die im Einzelfall eine Zustimmung des kommunalen Anteilseigners erfordern. Hieraus können bestimmte Rechte und Handlungsoptionen der Kommunen als Anteilseigner ausgelöst werden (z.B. Sonderkündigungsrechte, Einziehungsmöglichkeiten, Vorkaufsrechte usw.).

Die Transaktion kann auch im Konzessionsbereich sowie auf Kooperationsmodelle, Netzpacht- und Dienstleistungsbeziehungen Auswirkungen haben. So enthalten auch eine Reihe von in der Vergangenheit (im Zuge von Rekommunalisierungen) geschlossenen Konzessionsverträgen, Konsortial- und Pachtverträgen „Change-of-Control“-Klauseln.

Becker Büttner Held hat in der Vergangenheit solche „Change-of-Control“-Klauseln zu Gunsten von Kommunen und Stadtwerke vielfach durchsetzen können, sowohl im Rahmen der Begleitung von Konzessionsverfahren als auch bei der gesellschaftsrechtlichen Umsetzung bspw. von Kooperationsmodellen. Die Zulässigkeit solcher Change-of-Control-Klauseln (u.a. als Auswahlkriterium) im Konzessionswettbewerb konnte zwischenzeitlich auch erfolgreich vor mehreren Gerichten verteidigt werden. In Fällen wie der nun angekündigten innogy-Transaktion können sich aus solchen Klauseln nun sehr interessante Handlungsmöglichkeiten für Kommunen Stadtwerke ergeben.

Was ist zu tun?

Betroffene Stadtwerke und Kommunen sollten sich frühzeitig einen Überblick über mögliche Auswirkungen der geplanten Transaktion verschaffen. Im Hinblick auf zahlreiche, unterschiedlichste Konstellationen von Stadtwerkebeteiligungen, Kooperationen und Konzessionsverträgen der innogy und ihren Tochtergesellschaften ist zu empfehlen, die gesellschafts- und konsortialvertraglichen Regelungen sowie die Konzessionsverträge insbesondere auf Change-of Control-Klauseln und deren Rechtsfolgen zu überprüfen. In einigen Fällen wird man zwar abwarten müssen, bis konkretere Informationen zu der „technischen“ Umsetzung der Transaktion vorliegen. Häufig lässt sich aber jetzt schon abschätzen, welche Handlungsoptionen bestehen. Dabei kommt es auch darauf an, welche Fristen für die Rechtsausübung gelten.

Letztlich könnten sich daher aus der geplanten Transaktion neue Marktchancen nicht nur für die beiden hieran unmittelbar beteiligten Unternehmen, sondern auch für innogy-Beteiligungsunternehmen ergeben. Die aktuell deutlich vernehmbaren Diskussionen auf kommunaler Ebene sprechen dafür, dass die Kommunen diese sich aus „Change-of-Control“-Klauseln ergebenden Chancen bereits konkret in den Blick nehmen.

Ansprechpartner: Astrid Meyer-Hetling/Oliver Eifertinger/Axel Kafka/Matthias Pöhl

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