Wenn die Verwaltungsgerichte langsamer urteilen als die Emissionshandelsperiode abläuft

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Auf eines immerhin konnten sich die Betreiber emissionshandelspflichtiger Anlagen verlassen: Die Zertifikate, die sie am Ende der 2. Handelsperiode noch auf ihrem Konto bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) übrig hatten, konnten sie umstandslos in solche der laufenden 3. Handelsperiode umtauschen. Künftig müssen sie nicht einmal das, sondern können sie nach deren Ende 2020 einfach weiter nutzen (wir berichteten). Komplizierter liegen die Dinge bei den Zertifikaten, die dem Anlagenbetreiber nach seiner Überzeugung zustanden, aber leider nicht auf seinem Konto verbucht waren, weil die DEHSt sie nicht in der beantragten Anzahl zugeteilt hat.

Viele Anlagenbetreiber hatten nun auf eine höhere Zuteilung geklagt, zum Stichtag für den Umtausch – dem 30.4.2013 – aber noch kein rechtskräftiges Urteil in den Händen. Geschweige denn, die Zertifikate auf ihrem Konto. Aus Sicht der DEHSt sind diese Zuteilungsansprüche der 3. Handelsperiode zum 30.4.2013 untergegangen, weil das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) einen Umtausch nur für bereits zugeteilte Zertifikate vorsehe, nicht aber für noch offene Zuteilungsansprüche. Diese Lesart hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bereits am 26.4.2018 in letzter Instanz bestätigt (Az. BVerwG 7 C 20.16). Nun liegen auch die Entscheidungsgründe vor.

BVerwG: Ersatzloses Erlöschen von Zuteilungsansprüchen ist verfassungs- und europarechtlich unbedenklich

Der Grund, warum das BVerwG die Unterscheidung zwischen zugeteilten Zertifikaten und nicht erfüllten Zuteilungsansprüchen für richtig hält, mag für Nichtjuristen womöglich etwas formal anmuten: Für jeden Anspruch braucht es eine Rechtsgrundlage. Was den Umtausch von Emissionsberechtigungen der 2. in solche der 3. Handelsperiode angeht, gab es eine ausdrückliche Regelung im TEHG – aber eben nur für schon ausgegebene Zertifikate. Sie auf Zuteilungsansprüche analog anzuwenden, lehnt das BVerwG mit der Begründung ab, der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, auch eine Umwandlung der Zuteilungsansprüche zu regeln.

Es sei ausdrücklich in das Ermessen der DEHSt gestellt, die am Ende der Handelsperiode in Reserve gehaltenen Zertifikate entweder in die 3. Handelsperiode zu überführen oder aber auch zu löschen. Die Überführung von Ansprüchen sei zudem im europäischen Emissionshandelsregister nicht vorgesehen und lasse sich mit dem EU-weiten Ab- und Ausgleich von aus der 2. in die 3. Handelsperiode überführten Emissionsberechtigungen nicht vereinbaren. Dieser „Rechnungsabschluss“ ist nach der Auffassung des Gerichts strikt periodenbezogen und schließt es aus, Zertifikate zur Erfüllung von Ansprüchen aus der 2. Handelsperiode nachträglich zuzuteilen. Die Funktionsfähigkeit dieses Verrechnungssystems und damit des Emissionshandelssystems nicht zu gefährden, hält das BVerwG denn auch für ausreichend, um den Verlust von Zuteilungsansprüchen zu rechtfertigen.

Dass dies den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt, glaubt das BVerwG nicht – obwohl der Zug durch die Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit nun eben nicht selten länger dauert als die Handelsperiode. Die Anlagenbetreiber seien durch die Möglichkeit von Eilverfahren und mögliche Ersatzansprüche aus dem Staatshaftungsrecht ausreichend geschützt. Gleichzeitig weist das BVerwG aber darauf hin, dass es hier keinen Ersatzanspruch sieht. Das Erlöschen der Ansprüche sei ja gerechtfertigt (ein Schelm, wer hier einen Zirkelschluss wittert) und die Klägerin habe außerdem ohnehin schon mehr Zertifikate bekommen als sie brauchte. Auch für sonstige staatshaftungsrechtliche Ansprüche sieht es keine Anhaltspunkte.

Was bedeutet das Urteil für den Übergang in die 4. Handelsperiode?

Bei dem Urteil geht es um mehr als nur die Bewältigung vergangener emissionshandelsrechtlicher Probleme. Denn auch die laufende 3. Handelsperiode nähert sich schon wieder unaufhaltsam ihrem Ende, und wieder sind noch Widerspruchs- und Klageverfahren auf Mehrzuteilung anhängig, von denen unklar ist, ob sie noch vor Anbruch der 4. Handelsperiode abgeschlossen sein werden. Denn diejenigen Verwaltungsgerichte, die über dieses Thema zuständigkeitshalber entscheiden dürfen, sind massiv unter Wasser, weil sie auch bei der Abarbeitung von Asylstreitigkeiten helfen müssen.

Damit stellt sich erneut die Frage, ob ein Anspruchsverlust droht. Das hat zwar noch keiner so gesagt, insbesondere die DEHSt nicht. So war es aber auch schon beim letzten Mal. Das Argument des Untergangs wurde erst zum Ende der 2. Handelsperiode bemüht. Wir wollen Sie an dieser Stelle nicht mit Argumenten langweilen, die für und gegen eine jetzt ganz andere Situation sprechen. Denn im Kern muss sich der Anlagenbetreiber, der jetzt noch vor Gericht steht, allein fragen: Wie gehe ich mit diesem „Time is money!“-Risiko eigentlich um?

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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