Wer zu spät (Recht be) kommt …: OVG Berlin-Brandenburg lässt nicht rechtzeitig erfüllte Zuteilungsansprüche erlöschen

(c) BBH
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„Berechtigungen einer abgelaufenen Handelsperiode werden vier Monate nach Ende dieser Handelsperiode gelöscht und von der zuständigen Behörde durch Berechtigungen der laufenden Handelsperiode ersetzt.“ So regelt es das Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG) lapidar in seinem § 7 Abs. 2 Satz 2. Den Betreibern emissionshandelspflichtiger Anlagen gibt dieser Satz die Gewissheit, dass ihnen die in einer Handelsperiode nicht genutzten Emissionsberechtigungen zu deren Ende hin nicht verloren gehen, sondern in noch in der nächsten Handelsperiode nutzbare Zertifikate umgetauscht werden. Doch gilt dieser Bestandsschutz auch für Emissionsberechtigungen, die der Anlagenbetreiber noch gar nicht erhalten hat –  etwa weil die zuständige Behörde,  namentlich die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt), meint, dass ein entsprechender Zuteilungsanspruch in der geltend gemachten Höhe nicht besteht? Um dies zu klären, muss der Anlagenbetreiber oftmals mehrere Jahre vor den Verwaltungsgerichten (dies womöglich in drei Instanzen), manchmal auch noch vorm Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und vorm EuGH um seinen Zuteilungsanspruch streiten. Nicht selten ist in der Zwischenzeit die Handelsperiode bereits abgelaufen.

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin war hier nun der Auffassung, dass in einem solchen Fall Zuteilungsansprüche, auch wenn sie in der Sache berechtigt sind, mit Ablauf der Handelsperiode ersatzlos erlöschen, wenn diese bis dahin nicht erfüllt wurden (Urteil vom 4.9.2014, VG 10 K 98.10). Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg nun mit Urteil vom 14.4.2016 (OVG 12 B 31.14) zurückgewiesen.

Das Gericht stellt sich auf den Standpunkt, dass die Ersetzungsregelung im TEHG auf nicht erfüllte Zuteilungsansprüche nicht anwendbar ist. Das OVG begründet dies mit dem Periodenbezug des Emissionshandels und damit, dass die Geltungsdauer der Berechtigungen nur eine Zuteilungsperiode beträgt. Dass das TEHG ausdrücklich anordnet, die Berechtigungen auf die nächste Handelsperiode zu übertragen, stehe dem nicht entgegen.

Weshalb in diesem Punkt bereits zugeteilte und noch zuzuteilende Emissionsberechtigungen grundlegend unterschiedlich zu behandeln sind, begründet das Urteil aber leider nicht näher. Der Senat stellt vielmehr lapidar fest, dass der Untergang der Zuteilungsansprüche der 2. Handelsperiode nach Übergang der Berechtigungen in die 3. Handelsperiode systemgerecht sei. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es den Klimaschutzzielen eher zuträglich ist, wenn nicht erfüllte Zuteilungsansprüche untergehen und damit Zuteilungen knapper werden.

Ob der Emissionshandel allerdings darauf angelegt ist, gerade denjenigen Anlagenbetreibern einen besonderen Beitrag zum Klimaschutz aufzuerlegen, die sich um ihren Zuteilungsanspruch langwierig vor Gericht streiten müssen, dürfte allerdings bezweifelt werden. Denn darauf, ob die gesetzlichen Bestimmungen ihren Zuteilungsanspruch mehr oder eher weniger (und damit streitträchtiger) regeln, haben sie im Zweifel keinen Einfluss.

Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg muss in dieser Frage nicht das letzte Wort sein, da das Gericht die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen hat, das Urteil mithin also noch nicht rechtskräftig ist. Eine Warnung ist dieses Urteil für die Anlagenbetreiber aber bereits jetzt schon. Denn viele streiten sich auch in der laufenden 3. Handelsperiode um die Höhe ihrer Zuteilung. Allein der Streit um den sogenannten sektorübergreifenden Korrekturfaktor (CSCF, wir berichteten) beschäftigt die Gericht mittlerweile schon seit fast drei Jahren. Und auch wenn das Ende der laufenden Handelsperiode noch fern scheint: Auch den 30.4.2021 wird womöglich mancher nicht mehr mit einem positiven Urteil erreichen, der seine Widerspruchs- und Klageverfahren auf eine zusätzliche Zuteilung nicht engagiert betreibt und auf eine zügige Entscheidung hinarbeitet. Das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg mahnt also zur Eile.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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