Wohin der Strom fließt: BGH verweigert Biogasbetreibern KWK- und Nawaro-Bonus für eigenverbrauchten Strom

(c) BBH
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Der Betreiber einer Biomasseanlage kann für den Strom, den er nicht in das Netz einspeist, sondern selbst verbraucht, unter dem EEG 2009 weder einen Kraft-Wärme-Kopplungsbonus (KWK-Bonus) noch einen Bonus für nachwachsende Rohstoffe (Nawaro- Bonus) verlangen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urt. v. 4.3.2015, Az. VIII ZR 110/14).

In dem Fall ging es um eine Biogasanlage, die 2004 in Betrieb gegangen war. Einen Teil des in der Biogasanlage erzeugten Stroms verbraucht der Betreiber vor dem Netz für die allgemeine Versorgung selbst; den übrigen Teil speist er in das Netz der Beklagten ein (Überschusseinspeisung). Dabei erzeugt der Betreiber nicht die Gesamtmenge des Stroms, sondern nur eine Teilmenge in Kraft-Wärme-Kopplung und ebenfalls nur eine Teilmenge unter dem Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Zumindest für diese Strommenge fordert er, dass sie als diejenige angesehen wird, die in das Netz der Beklagten eingespeist wird und – mit Grundvergütung und Bonuszahlungen – vergütet werden muss. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart sah das nicht so (Urt. v. 13.3.2014, Az. 2 U 61/12): KWK-Bonus und Nawaro-Bonus seien nicht auf die insgesamt erzeugte Strommenge, sondern nur auf den Anteil des tatsächlich in das Netz eingespeisten Stroms auszuzahlen. Dagegen zog der Anlagenbetreiber vor den BGH – aber erfolglos.

Nach Ansicht des BGH gibt es für den selbst verbrauchten Strom aus Biomasse keine Zusatzvergütung durch KWK-Bonus oder Nawaro-Bonus nach dem EEG 2009. Bei den Boni – das stellt der BGH jetzt unmissverständlich klar – handelt es sich um Vergütungserhöhungen, die auf der Grundvergütung aufbauen, und nicht um davon losgelöste, selbständige Ansprüche. Nicht eingespeister Strom, für den es keine Grundvergütung gibt, sei daher auch nicht bonusfähig.

Diese Haltung des BGH überzeugt und entspricht auch der ganz überwiegenden Praxis. Aber eine Frage drängt sich auf: Kann dann der Anlagebetreiber nicht zumindest bilanziell bestimmen, dass der bonusfähige Teil der produzierten Strommenge auch der eingespeiste Teil ist und der nicht bonusfähige der selbst verbrauchte? Nein, so der BGH, das kann er nicht: Dem EEG 2009 liege kein „Modell der Bilanzierung“ zugrunde. Der Anlagenbetreiber habe kein Wahl- oder Leistungsbestimmungsrecht. Die mit den beiden Boni förderfähigen und nicht förderfähigen Strommengen ließen sich stattdessen physikalisch nicht voneinander trennen. Deshalb müsse – so wohl der Gedanke – der Anteil von bonusfähigem und nicht bonusfähigem Strom für die Einspeisung ebenso wie für den Eigenverbrauch gelten.

Diesen Punkt handelt der BGH vergleichsweise kurz ab, und seine Argumente sich nicht zwingend. Immerhin kennt das Gesetz mit § 8 Abs. 2 EEG 2009 (nun § 11 Abs. 2 EEG 2014) den Fall einer kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe, bei der nicht nach den physikalischen, sondern den bilanziellen Stromflüssen vergütet wird. Eine solche Situation soll nach dem BGH nicht gegeben sein, weil die Vorschrift nur „(in ein Arealnetz) eingespeisten Strom, nicht aber den Eigenverbrauch des erzeugten, aber nicht eingespeisten Stroms“ betreffe. § 8 Abs. 2 EEG 2009 erfasst aber auch die Einspeisung in ein „Netz“ des Anlagenbetreibers. Der vom BGH verwendete Begriff des „Arealnetzes“ ist nicht Gesetzeswortlaut, er wird weder im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) noch im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) benutzt. Der Begriff des „Netzes“ i.S.v. § 8 Abs. EEG 2009 ist nach allgemeiner Ansicht weit auszulegen. Auch der BGH hat in früheren Entscheidungen diese Vorschrift so verstanden, dass sowohl das Netz des Anlagenbetreibers als auch ein Arealnetz davon umfasst sind, und davon gesprochen, dass Strom „vom Anlagenbetreiber bzw. im Arealnetz“ ganz oder teilweise verbraucht werde (BGH, Beschl. v. 27.3.2012, Az. EnVR 8/11; Urt. v. 28.3.2007, Az. VIII ZR 42/06).

Wenn aber schon eine kaufmännisch-bilanzielle Weitergabe von physikalisch nicht eingespeisten Strommengen denkbar ist, dann sollte doch erst recht im Falle einer Überschusseinspeisung der Anlagenbetreiber bestimmen können, welches die eingespeisten und welches die eigenverbrauchten Strommengen sind. Dieser Gedanke greift selbst dann, wenn man für § 8 Abs. 2 EEG 2009 eine stärker ausgeprägte Netzstruktur für erforderlich hält. Denn es ist schwer einzusehen, warum die bei Lieferung über das Netz (für die allgemeine Versorgung) zulässige und notwendige bilanzielle Zuordnung von Strommengen vor dem Netz unzulässig sein soll.

Mit den Aussagen zur Bilanzierung hat das Urteil des BGH potenziell weitreichende Folgen für Stromlieferungen innerhalb von Kundenanlagen und Objektnetzen.

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht

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