Goodbye, Herr Aufsichtsrat?

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(c) Martin Beckmann

Am 14.11.2012 hatte die Europäische Justizkommissarin Viviane Reding es dann  doch geschafft: Ihr Vorschlag, eine Frauenquote von 40 Prozent  in Aufsichtsgremien börsennotierter Unternehmen einzuführen, war – in abgeschwächter Form –  durchs Kommissionskollegium geboxt und somit zum offiziellen Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission geworden.


Im ersten Anlauf hatte Frau Reding noch im letzten Moment dem Druck insbesondere vieler der anderen Kollegen nachgegeben, denn ursprünglich sollte der seit Monaten erwartete Vorschlag schon im Oktober kommen. Und in der Tat, die Opposition gegen die 40 Prozent Quote in allen aktienrechtlich organisierten Unternehmen in der Union in 2020 war heftig und kam – auch kommissionsintern – nicht nur von männlicher Seite. So sprachen sich etwa Klimakommissarin Connie Hedegaard, die Vizepräsidentin der Kommission, Neelie Kroes oder EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ausdrücklich gegen die Quote aus.

Klassenbester Schweden, Schlusslicht Deutschland

McKinsey&Company hatte kürzlich in neun europäischen Ländern (Norwegen; Schweden, UK, Belgien, die Niederlande, Frankreich, Tschechische Republik, Italien und Deutschland) untersucht, wie viele Frauen in Führungspositionen zu finden sind, nicht allein in börsennotierten Unternehmen. Das Ergebnis: Im Durchschnitt sind lediglich 10 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt. Schweden ist eindeutig Klassenbester mit 21 Prozent, Deutschland dagegen mit mageren 3 Prozent das absolute Schlusslicht.

Derzeit haben bereits elf Mitgliedsstaaten die Gleichstellung in der Unternehmensleitung auf die eine oder andere Art gesetzlich geregelt. Darunter sind auch die  Heimatländer von Frau Hedegaard (Dänemark) und Frau Kroes (Niederlande), aber auch Österreich, Belgien und Frankreich.

In  Deutschland stimmte der Bundesrat im September für einen Gesetzesentwurf, der eine Quote von 20 Prozent bis 2018 und 40 Prozent bis 2023 vorsieht. Allerdings hatte die Länderkammer zunächst sehr schlechte Karten, da es in der schwarz-gelben Regierung keine Mehrheit für einen solchen Vorschlag zu geben schien. Der Bundesrat hoffte also teils auch auf Brüssel und die Anstrengungen von Frau Reding.

Der Kommissionsentwurf ist nun strikter als die Pläne des Bundesrates: 40 Prozent sollen es sein, und zwar schon in 2020. Dabei wird nicht von einer „Frauenquote“ gesprochen, sondern politisch korrekt vom „unterrepräsentierten Geschlecht“. Folgende Regelung ist vorgesehen: Unternehmen, die die Quote nicht erreichen, müssen nachweisen, dass Posten rein nach Eignung der Kandidaten vergeben werden und an die Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts gehen, wenn es mehr als einen geeigneten Kandidaten gibt. Auch ist den Kandidaten zu erklären, warum man sich gegen sie entschied. Somit stehen die ungefähr 5.000 großen börsennotierten Unternehmen, die die Regelung europaweit betreffen würde, in der Nachweispflicht. Unternehmen, in denen weniger als 10 Prozent der Belegschaft oder mehr als ein Drittel der Vorstandsmitglieder dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören, sollen ausgenommen werden.

40 Prozent ist weniger als die Hälfte. Eine höhere Quote hätte es wohl schon gar nicht durch die Kommission geschafft – aber ganz abgesehen davon sind in Deutschland nur ca. 15 Prozent der Aufsichtsräte weiblich. Auch kann man dem Vorschlag Mangel an Ehrgeiz unterstellen, da er sich nur um Aufsichtsräte kümmert – der Vorstand kann 100 Prozent männlich bleiben. Was der Realität in Deutschland ziemlich nahe kommt; EU-weit liegt hier die weibliche Repräsentanz bei unter 3 Prozent. Ein Drittel der etwa 160 deutschen börsennotierten Unternehmen hat nicht eine einzige Frau vorzuweisen – weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat. Für Deutschland hieße die Quote also, dass bestehende Aufsichtsratsstrukturen aufgebrochen würden und die Tage der „Männer-Clubs“ gezählt wären.

Dabei sorgten unlängst Studien für Furore, dass Frauen bessere Führungsqualitäten haben als Männer, sich besser als Chefs machen, sicherere Entscheidungen treffen. Andere – und in der Regel Gegner der Quote – führen ihre eigenen Studien an und argumentieren, es gäbe einfach auch nicht genug ausreichend qualifizierte und somit geeignete weibliche Kandidatinnen für die zu besetzenden Posten. Daraufhin soll nun eine Datenbank starten, in der rund 7.500 geeignete Kandidatinnen aufgeführt werden.

Während Frau Reding mit dem Richtlinienentwurf bei den Kollegen in der Kommission den ersten Schritt geschafft hat, ist es noch ein langer Weg durch ein positiv eingestelltes Parlament und einen kritischen, knirschenden Rat. Man wird sehen …

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet

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