Fluch und Segen des EU-Beihilferechts: Ja, für wen eigentlich?

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Was haben Rating-Agenturen, Banken, öffentliche Unternehmen und die Kölner Messe gemeinsam? Antwort: Sie alle müssen sich im Augenblick intensiv mit dem EU-Beihilfenrecht auseinandersetzen, weil sich dieses Rechtsgebiet erheblich auf Bonität und Finanzierung öffentlicher Unternehmen auswirkt.

Bonität der Landesbanken

Von Landesbanken und Rating-Agenturen ist man ja in diesen Zeiten Kummer gewohnt. Kommen beide zusammen, kann das anscheinend nichts Gutes verheißen. Die Rating-Agentur Moodys stufte jetzt die Bonität von elf deutschen Landesbanken um bis zu drei Rating-Noten herab. Grund dafür war aber weder, dass sie das Geschäftsmodell für weniger leistungsfähig hielt, noch, dass sie an ihrer Sanierungsfähigkeit in Zeiten der Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise zweifelte, sondern ausschließlich die konsequente Berücksichtigung des EU-Beihilfenrechts.

Das EU-Beihilfenrechtsregime schränkt die Möglichkeit staatlicher Beihilfen zugunsten bestimmter Unternehmen strikt ein. Aufgrund der Nähe zur öffentlichen Hand sind öffentliche Unternehmen und insbesondere staatliche Bankinstitute im Verhältnis zu ihren staatlichen Eigentümern immer in besonderem Maße dem Beihilfenverdacht ausgesetzt. Das hatten auch die Landesbanken erfahren müssen. Europa zwang die Bundesländer, sich von der Einlagesicherung gegenüber ihren Landesbanken durch eine Reihe von Restrukturierungsgesetzen zu verabschieden.

Das bedeutet: Gläubiger können sich bei den Landesbanken nicht mehr darauf verlassen, dass die staatlichen Eigentümer im Notfall ihre Bankinstitute auffangen würden, wenn es zum Ausfall der Forderungen kommt – Fluch für die Gläubiger und Segen für den Steuerzahler. Allein diese Tatsache begründete eine neue Bonitätseinstufung, wie das Beispiel von Moodys zeigt.

Öffentliche Unternehmen

Was die Landesbanken durch eine Rating-Agentur erfahren mussten, kennen öffentliche, insbesondere kommunale Unternehmen seit einiger Zeit in ähnlicher Form bereits von ihren Hausbanken und anderen Finanzinstituten. Insbesondere beim Thema Kommunalbürgschaften, aber auch bei großen Investitionsvorhaben, Rekommunalisierungs- und Infrastrukturprojekten reagieren Banken zunehmend empfindlich – immer mit Blick auf die Rechtsfolgen von Beihilfenrechtsverstößen im Verhältnis zwischen kommunalem Eigentümer und kommunalem Unternehmen.

Auch hier haben die Banken mittlerweile verstanden, dass kommunale Unternehmen aus beihilfenrechtlichen Gründen keinen unbeschränkt haftenden öffentlichen Rückfallbürgen mehr haben können und sie deshalb das Ausfallrisiko eines kommunalen Unternehmens bei einem Beihilfenrechtsverstoß im vollem Umfang selbst tragen müssen. Im Bereich Kommunalbürgschaften lassen sich Banken daher zum Beispiel die Marktangemessenheit des Avalzinses für die Bürgschaftsgestellung bestätigen und prüfen zugleich die Bonität des kommunalen Unternehmens. Bei großen Investitions- und Rekommunalisierungsprojekten werden im Rahmen der Due-Dilligence, insbesondere die Finanzierung der dauerdefizitären Daseinsvorsorgesparten in kommunalen Unternehmen auf beihilfenrechtliche Risiken abgeklopft, um sich gegen beihilfenrechtlich zwingende Rückforderungsverpflichtungen, die bis in die Insolvenz des kommunalen Unternehmens führen können, abzusichern.

Das Ergebnis ist bemerkenswert: Das EU-Beihilfenrecht ist zwar zum Vorteil der Allgemeinheit da – aber seine Einhaltung wird gegenüber kommunalen Unternehmen in Zukunft wohl weniger von den staatlichen Aufsichtsbehörden forciert, als vielmehr von privaten Dritten. In diesem Fall den Banken.

Der Fall „Messe-Köln“

Aktuell muss sich ein weiterer privater Dritter, nämlich eine Investorengruppe in Zusammenhang mit dem Bau der Kölner Messe, intensiv mit den schädlichen Rechtsfolgen des EU-Beihilfenrechts auseinandersetzen. Die Europäische Kommission ermittelt seit 2007, ob der Bau der Köln-Messe durch ein privates Konsortium im Auftrag der Stadt Köln gegen EU-Wettbewerbsrecht verstößt. Vor zwei Jahren stellte der EuGH auf Antrag der Kommission fest, dass der Vertrag als öffentlicher Bauauftrag europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen. Was aus diesem Vergaberechtsverstoß konkret folgt, ist im nationalen Recht jedoch bis heute unklar – dank dieser Unsicherheit wähnte sich die private Investorengruppe lange Zeit über den Fortbestand ihrer Forderungen aus dem Vertrag gegenüber der Stadt Köln in Sicherheit.

Diese Sicherheit ist nun mit Blick auf das EU-Beihilfenrecht verflogen. Seit langem ist anerkannt, dass vergaberechtswidrig gewährte Leistungen gleichzeitig einen Verstoß gegen Beihilfenrecht begründen, weil die Marktüblichkeit des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung nicht mittels eines transparenten und wettbewerblichen Verfahrens mit legalisierender Wirkung für das Beihilfenrecht nachgewiesen wurde.

Anders als im Vergaberecht sind die Rechtsfolgen eines Beihilfenrechtsverstoßes im nationalen Recht jedoch spätestens seit 2004 absolut eindeutig: Beihilfenrechtswidrig zustande gekommene Verträge sind null und nichtig. Das bedeutet, der vertragliche Anspruch bricht in sich zusammen. Verlangen kann die Investorengruppe allenfalls eine marktübliche Entschädigung für den Bau der Messehallen, deren Höhe in einem objektiven Wertgutachten bestimmt werden muss. Die Stadt Köln dagegen kann im Idealfall mit erheblichen Abschlägen im Vergleich zu dem ursprünglich vereinbarten Preis bzw. Unternehmerentgelt für den Bau der Messe rechnen.

Das EU-Beihilfenrecht bedeutet somit im Ergebnis mehr Aufwand und eine sorgfältigere Prüfung der Auftragsvergaben auf Initiative privater Dritter, die sich in irgendeiner Form an der Finanzierung öffentlicher Unternehmen beteiligen wollen. Es führt zu einer Disziplinierung aller Beteiligten. Insofern ist es ein Fluch, was die Rechtsfolgen im Falle einer Rechtsverletzung betrifft – aber zugleich ein Segen aus Sicht der öffentlichen Haushalte und der Steuerzahler ein Segen.

Ansprechpartner: Dr. Christian Jung

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