§ 19 Abs. 2 StromNEV – Verzögerungen und erste Streitigkeiten bei der Umsetzung der neuen Vorgaben

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Seit dem 1.1.2014 greift das neue Regime des § 19 Abs. 2 StromNEV für energieintensive Netznutzer, das Netz zu reduzierten Entgelten zu nutzen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat Ende vergangenen Jahres festgelegt, wie individuelle Entgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV sachgerecht zu ermitteln sind (BK4-13-739), und damit die Neuregelung näher ausgestaltet. Die Festlegung ist inhaltlich in vielen Punkten unklar. Diese Umsetzungsfragen führen zu Verzögerungen und ersten Streitigkeiten zwischen Netzbetreibern und betroffenen Letztverbrauchern. Auch ist die neue Festlegung der BNetzA deshalb bereits Gegenstand zahlreicher Beschwerden vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Im Mittelpunkt stehen Fragen  zur Ausgestaltung des sog. physikalischen Pfades, anhand dessen die Netzentgeltreduzierung berechnet wird. Die Beschwerden haben keine aufschiebende Wirkung, weshalb  die Festlegung seit dem 1.1.2014 ungeachtet der Vielzahl praktischer Probleme deutschlandweit zwingend umzusetzen ist.

Hintergrund

Netzbetreiber und Letztverbraucher regeln individuelle Entgelte in einer Vereinbarung, die nur noch bei der zuständigen Regulierungsbehörde angezeigt werden muss. Die Reduzierung ist dann ohne weitere behördliche Prüfung oder Bestätigung unmittelbar wirksam. Dabei  gibt die Festlegung verbindlich vor, anhand welcher Maßgaben das reduzierte Netzentgelt vom Netzbetreiber zu berechnen ist. Da die Regulierungsbehörde die Vereinbarung nicht vorab prüft, besteht ein erhebliches Risiko, dass sich erst zu einem – gegebenenfalls sehr viel – späteren  Zeitpunkt herausstellt, dass bei der Berechnung des individuellen Entgelts Vorgaben der Festlegung nicht eingehalten wurden oder der Letztverbraucher die Vereinbarung nicht ordnungsgemäß angezeigt hat. Die Abrechnung anhand des vereinbarten individuellen Netzentgelts könnte dann rückwirkend ohne Grundlage sein. Der Netzbetreiber wäre gezwungen, gegenüber dem Letztverbraucher Nachforderungen geltend zu machen. Dadurch besteht die Gefahr erheblicher Ausfallrisiken.

Unsicherheiten in der Umsetzung

Mit Blick auf den Inhalt der Festlegung der BNetzA ist das dargestellte Szenario durchaus realistisch. Viele der Regelungen eröffnen Auslegungs- oder Gestaltungsspielräume. Der Netzbetreiber hat, soweit die Voraussetzungen vorliegen, zwar das individuelle Netzentgelt anzubieten, wird aber mit der Frage, wie dieses Entgelt konkret zu ermitteln ist, von Verordnung und Festlegung in weiten Teilen allein gelassen. Bis heute gibt es keine Verwaltungs- und Entscheidungspraxis oder auch nur konkretisierende Auslegungshilfen, „FAQs“ von der Bundesnetzagentur. Lediglich zu Einzelanfragen von Netzbetreibern und Letztverbrauchern haben sich die Regulierungsbehörden schon positioniert.

Erste Streitigkeiten und Fristprobleme

Viele Netzbetreiber reagieren verständlicherweise, indem sie sich mit dem Angebot eines individuellen Netzentgeltes noch zurückhalten. Ebenso nachvollziehbar ist, dass die Letztverbraucher zeitliche Verzögerungen wegen der oft erheblichen wirtschaftlichen Relevanz nicht unbegrenzt hinnehmen wollen. Erste Letztverbraucher drohen regulierungsbehördliche Missbrauchsverfahren an. Die Situation wird sich in den nächsten Wochen und Monaten verschärfen. In den laufenden Beschwerdeverfahren müssen die Letztverbraucher innerhalb gerichtlich gesetzter Fristen entscheiden, ob sie die oft vorsorglich eingelegten Beschwerden begründen oder zurücknehmen. Dazu müsste der Letztverbraucher aber wissen, wie hoch die für ihn mögliche Netzentgeltreduzierung ausfallen wird, und das weiß er noch nicht. Vor allem aber sind die privilegierten Letztverbraucher gezwungen, für ihre Netzentgeltreduzierung in 2014 der zuständigen Regulierungsbehörde bis zum 30.9.2014 eine Vereinbarung mit dem Netzbetreiber vorzulegen. Es handelt sich dabei nach der Festlegung um eine Ausschlussfrist. Zeigt man die Vereinbarung verspätet an, insbesondere weil noch keine abschließende Berechnung erfolgte, entfällt die Reduzierung für das ganze Jahr. Es ist zu hoffen, dass die BNetzA für weitere Klarheit sorgt. Als Netzbetreiber ist es jedoch nicht ratsam, sich darauf zu verlassen. Vielmehr wird man gezwungen sein, sich umgehend ein eigenes Verständnis von den neuen Kalkulationsvorgaben zu verschaffen und dieses diskriminierungsfrei in seinem Netzgebiet umzusetzen.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Prof. Dr. Ines Zenke/Stefan Missling/Dr. Thies Christian Hartmann

PS: Sie interessieren sich für dieses Thema, dann schauen Sie doch gern mal hier, welche Inhalte die Praxis konkret diskutiert.

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