Bundesfinanzhof nimmt Nachzahlungszinsen nach jahrelanger Betriebsprüfung unter die Lupe

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Betriebsprüfungen sind für jeden Steuerpflichtigen eine lästige Pflicht. Meistens enden Sie mit einer Steuernachzahlung. Was für sich genommen schon ein Ärgernis ist, wird nicht selten zur Katastrophe, wenn das Finanzamt für die Nachzahlung Zinsen in Rechnung stellt: Denn die Betriebsprüfung kann sich über Jahre hinziehen – wofür der Steuerpflichtige meist gar nichts kann. Die Zinsen, die währenddessen auflaufen, können dann im Extremfall ähnliche Größenordnungen erreichen wie die Steuernachzahlung selbst.

Dies könnte jetzt aber durch ein Verfahren in Bewegung geraten, das derzeit vor dem Bundesfinanzhof anhängig ist: In diesem Fall zog sich das Betriebsprüfungsverfahren für das Veranlagungsjahr 1996 ohne eigenes Verschulden des Steuerpflichtigen bis ins Jahr 2005 hinein, so dass der Zinslauf 84 Monate betrug. Bei einer Belastung von 0,5 v. H. pro Monat ergibt sich eine zusätzliche Belastung von 42 v. H. auf die Steuernachzahlung (Az. I R 80/10).

Die Verzinsung von Steuernachzahlungen und -erstattungen nach § 233a AO i. V. m. § 238 AO war in letzter Zeit regelmäßig Bestandteil von Steuerrechtsverfahren. Zuletzt entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass die Tatsache, dass Nachzahlungszinsen nicht abzugsfähig sind, aber Erstattungszinsen gleichzeitig versteuert werden müssen, systemwidrig ist (Urteil vom 15.6.2010, Az. VIII R 33/07). Der Gesetzgeber hat sofort reagiert und das positive Urteil einkassiert (Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, anzuwenden ab dem 14.12.2010). Die Gegenreaktion ließ nicht lange auf sich warten, der BFH wird erneut über die Besteuerung von Erstattungszinsen zu entscheiden haben (Revision Az. VIII R 1/11).

Nun hat das Finanzgericht Düsseldorf in dem oben beschriebenen Verfahren in seiner Entscheidung vom 13.7.2010 (Az. 6 K 4585/07 AO) zwar klar gemacht, dass keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Zinshöhe von 6 v. H. p. a. bestehen. Gleichzeitig lässt es aber die Revision beim BFH zu, um die Frage zu klären, ob die Höhe des Zinssatzes bei längerfristig niedrigerem Marktzins angemessen ist. Das Verfahren beschäftigt sich zwar mit dem Zeitraum bis 2005, hat aber aufgrund der zur Zeit historisch niedrigen Zinsen auch für aktuelle Sachverhalte Bedeutung.

Unklar ist, wie sich die Richter des BFH entscheiden werden: Gibt es ein freundliches Urteil für den Steuerzahler, wie zuletzt bei der Steuerfreiheit für Erstattungszinsen, oder ein fiskalisch motiviertes Urteil zu Lasten der Steuerzahler, wie zuletzt bei der Entscheidung zum Solidaritätszuschlag (Beschluss vom 8.9.2010 Az. 2 BvL 3/10)?

Um von dem Urteil gegebenenfalls profitieren zu können, sollte man gegen Bescheide, die Nachzahlungszinsen betreffen, innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Einspruch einlegen und gleichzeitig ein Ruhen des Verfahrens beantragen. Sofern das Urteil zugunsten der Steuerzahler ausfällt, könnte der Zinsbescheid geändert werden. Ist der Zinsbescheid nicht mehr änderbar, wirkt ein positives Urteil nur noch für die Zukunft. Gegen Erstattungszinsen wird regelmäßig nicht vorzugehen sein, da die alternative Geldanlage im aktuellen Marktumfeld weniger als 6 v. H. einbringt.

Eine Aussetzung der Vollziehung wird wohl regelmäßig negativ beschieden werden, da die Rechtmäßigkeit der Verzinsung nicht in Frage gestellt ist, sondern lediglich die Höhe der Verzinsung beanstandet wird. Die Entscheidung liegt jedoch im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde und sollte zumindest angesprochen werden. Der notwendige Antrag ist ohne Risiko, da bei einer Aussetzung der Vollziehung keine weiteren Zinsen anfallen, denn Zinseszinsen werden nicht erhoben.

Ansprechpartner: Jürgen Gold

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