Importsteuer: mehr zahlen, weniger bekommen?

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Nehmen Sie einmal Folgendes an: Zwei mit denselben Waren beladene Schiffe verlassen ihren Heimathafen in China und machen sich auf den Weg in die Europäische Union. Eines der Schiffe nimmt Kurs auf die Niederlande, das andere auf Deutschland. Dort angelangt, werden die Waren ausgeladen und für den Weitertransport an denselben Zielort in Deutschland verfrachtet. Bei der Einfuhr über einen deutschen Hafen muss der Importeur Einfuhrumsatzsteuer entrichten, bei der Einfuhr über den niederländischen Hafen nicht. Der europäische Gesetzgeber erlaubt nämlich den Mitgliedstaaten (siehe Art. 211 Satz 2 Mehrwertsteuersystemrichtlinie) ausdrücklich, in ihren Steuervorschriften Verfahrenserleichterungen für Importunternehmen bei der Einfuhr von Gütern vorzusehen. Leider sieht die Realität hierzulande anders aus: Der deutsche Gesetzgeber hat von der Option keinen Gebrauch gemacht – der niederländische dagegen schon. Was für Importeure bedeutet, dass sie in Deutschland Wettbewerbsnachteile erleiden.

Und dabei gibt es gleich zwei Unwägbarkeiten: Zum einen müssen Importeure die volle Steuer für die Einfuhr von Gütern vorstrecken. Da sie ihre Auslagen erst Monate später zurück erhalten, müssen sie vorher mit einem Liquiditätsminus wirtschaften. Der Aufwand und die Kosten für die Importeure sind bei einem Einfuhrumsatzsteueraufkommen von rund 52 Milliarden Euro (!) allein im Jahr 2016 immens – und damit der bestehende Wettbewerbsnachteil. Zum anderen führt diese Spezialsituation dazu, dass weniger über deutsche See- und Lufthäfen importiert wird, was der öffentlichen Hand eine lukrative Einnahmequelle abschneidet. Um die Inkohärenz dieser Steuergesetzgebung zu erkennen, benötigen Unternehmer keinesfalls einen Abschluss im Steuerrecht – denn mittlerweile leisten sogar Erklär(bär)-Videos der niederländischen Standortvermarkter auf Youtube die erforderliche Aufklärungsarbeit.

Dass die hiesige Steuergesetzgebung mit den Nachbarstaaten nachziehen muss, wurde über Jahre hinweg immer wieder betont: So beschloss die Wirtschaftsministerkonferenz bereits im Juni 2014, dass die Bundesregierung rechtliche Möglichkeiten prüfen solle, die Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Mitgliedstaaten auszuräumen. Die Wirtschaftsministerkonferenz ist ein wichtiges Bindeglied, wenn es um die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit und den Austausch der Länder untereinander geht. Ihre Beschlüsse mögen nicht bindend sein, dafür sind sie umso entscheidender für die Justierung der wirtschaftspolitischen Marschroute der Bundesregierung. In einem Antrag vom März dieses Jahres pochen die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD erneut darauf, das Verfahren zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auf einen besseren Stand zu bringen und Wettbewerbsnachteile zu beseitigen. In diesem Rahmen hat sich auch der Bundestag mit den zukünftigen Herausforderungen des maritimen Wirtschaftsstandorts Deutschland beschäftigt.

Der dringend erforderliche Gesetzentwurf muss am Ende des Tages vom Bundesfinanzministerium (BMF) erarbeitet und vorgelegt werden, das sich mit nationalen und internationalen Fragen der Steuerpolitik befasst und für die nationale Steuergesetzgebung zuständig ist. Bis es aber soweit ist, werden sich Importunternehmen auch weiterhin die berechtigte Frage stellen: warum mehr zahlen und weniger bekommen?

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Rudolf Böck/Jan-Hendrik vom Wege

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