Novellierung des Mieterstromgesetzes – ein Gespräch mit MdB Timon Gremmels

Foto: Susie Knoll

Seit 2017 sollen durch das Mieterstromgesetz Mieterinnen und Mieter in den Ausbau der Erneuerbaren Energien einbezogen werden und die Möglichkeit bekommen, günstigen und umweltfreundlichen Strom zu erzeugen. Doch spätestens seit Veröffentlichung des Mieterstromberichts im September 2019 ist klar: Das Mieterstromgesetz bleibt weit hinter seinen Erwartungen zurück. Nur 677 Mieterstromanlagen mit insgesamt 13,9 MW wurden bis Juli 2019 realisiert. Das entspricht etwas mehr als 1 Prozent des dafür vorgesehenen Deckels von 500 MW im Jahr. Die Energie- und die Wohnungswirtschaft beklagen u.a. den hohen bürokratischen Aufwand und die zu niedrige Vergütung. Die SPD-Bundestagsfraktion drängte deshalb Mitte dieses Jahres auf eine Novellierung des Mieterstromgesetzes. Das Bundeswirtschaftsministerium stellte die entsprechenden Änderungen für Herbst 2019 in Aussicht. Wie geht´s nun weiter? Darüber haben wir mit MdB Timon Gremmels gesprochen, der sich als zuständiger Berichterstatter intensiv mit dem Mieterstromgesetz befasst und einen konkreten Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion in Richtung Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gesandt hat.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Gremmels, wenn die Höhe des Mieterstromzuschlags nicht angepasst wird, werden Mieterstrommodelle mit Solaranlagen sehr wahrscheinlich weiter unwirtschaftlich bleiben. Warum ist hier keine anteilige EEG-Umlagebefreiung vorgesehen?

Gremmels: Als der Gesetzgeber im Rahmen der EEG-Novelle 2017 das Mieterstromgesetz verabschiedete, tat er dies aus zwei Gründen: Der Mieterstrom sollte erstens dazu beitragen, das riesige Potenzial bereits versiegelter Flächen in den Städten für die erneuerbare Stromerzeugung zu gewinnen. Und zweitens sollten endlich auch Mieterinnen und Mieter von preisgünstigem Solarstrom vom eigenen Dach profitieren können, und auf diese Weise aktiv an einer möglichst bürgernahen und dezentralen Energiewende partizipieren.

Doch schon seit geraumer Zeit zeichnet sich ab, dass die Mieterstromförderung jedenfalls in ihrer derzeitigen Ausgestaltung weitgehend wirkungslos ist: Drei größere Windkraftanlagen produzieren mehr erneuerbaren Strom als alle bislang bundesweit installierten Photovoltaik-Mieterstromanlagen.

Da der für den Herbst dieses Jahres schriftlich zugesagte Vorschlag aus dem Bundeswirtschaftsministerium weiter auf sich warten lässt, haben wir Peter Altmaier zur weiteren Diskussion einen konkreten Gesetzesvorschlag unterbreitet. Der Entwurf enthält im Wesentlichen drei Elemente: Eine deutlich attraktivere und verstetigte Förderung, die Verankerung eines wirksamen Quartiersansatzes und eine spürbare Entbürokratisierung.

Bei der Höhe der Vergütung haben wir uns in der Tat an der anteiligen EEG-Umlagebefreiung orientiert, mit der der Eigenverbrauch einer Photovoltaik-Anlage begünstigt wird. Wir können keine nachvollziehbaren Gründe erkennen, warum Mieterinnen und Mieter gegenüber Eigenheimbesitzern benachteiligt sein sollten. Insgesamt sind unsere Vorschläge gut geeignet, dem Mieterstrom als wesentlichem Baustein einer sozial gerechten Energiewende endlich Schwung zu verleihen – und die urbane Energiewende spürbar voranzubringen.

BBH-Blog: Das Mieterstromgesetz verfolgt einen Quartiersansatz, was allgemein begrüßt wird. Der derzeitige Gesetzeswortlaut – „im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang“ – verhindert solche Lösungen aber mehr als er sie ermöglicht. Ist denn eine solche Beschränkung überhaupt notwendig?

Gremmels: Neben der unzureichenden Förderhöhe steht auch die enge Begrenzung des „unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs“ einer umfassenden Einbindung von Mieterstrommodellen in Energiekonzepten von Quartieren entgegen. Der Zwang zu kleinteiligen Kundenanlagen macht die Umsetzung von Projekten unverhältnismäßig teuer. Die Begrenzung ist aber auch sozial ungerecht: Mieterinnen und Mieter von Nachbargebäuden, deren Dach ungünstiger gelegen ist, werden willkürlich ausgegrenzt.

Aus diesem Grund wollen wir den Quartiersansatz mit einer eigenständigen Definition der erneuerbaren Quartiersversorgung und der Ausweitung auf Nichtwohngebäude im Wohnquartier verankern. Wir sind überzeugt: Wenn mehr erneuerbarer Strom im Quartier erzeugt und verbraucht werden kann, so stärkt dies die Effizienz und die Akzeptanz der Energiewende.

BBH-Blog: Das EEG ermöglicht unterschiedliche Modelle des Mieterstroms. Nach Rechtsauslegung der Bundesnetzagentur sind aber solche Modelle, in denen ein Energieversorger als Mittler zwischen Anlagenbetreiber und Letztverbraucher zwischengeschaltet wird, nicht zulässig. Wie schätzen Sie diese Praxis ein?

Gremmels: Die Rechtsauslegung der Bundesnetzagentur ist das wohl beste Beispiel für bürokratische Hürden, die Mieterstrommodelle in der Praxis auf unnötige und nicht nachvollziehbare Weise erschweren. Momentan ist eine Personenidentität von Anlagenbetreiber und Mieterstromlieferant zwingend erforderlich, damit ein Anspruch auf Auszahlung des Mieterstromzuschlages überhaupt entsteht. Das in der Praxis übliche Einschalten eines Elektrizitätsversorgers als Mittler zwischen Anlagenbetreiber und Letztverbraucher führt somit zu einem Ausschluss von der eigentlich vorgesehenen Förderung. Deshalb wollen wir das sogenannte Lieferkettenmodell gesetzlich verankern – und Vermieterinnen und Vermieter in die Lage versetzen, Energieversorgungsunternehmen mit dem Verkauf des Stroms aus der von Ihnen betriebenen Solaranlage zu beauftragen.

BBH-Blog: Welche weiteren Gesetzesanpassungen empfehlen Sie, um die Attraktivität von Mieterstrom zu steigern?

Gremmels: Zu einer umfassenden Entbürokratisierung gehört auch und vor allem, die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen adäquat auszugestalten. Dafür ist der Betrieb einer Photovoltaikanlage dem Betrieb einer Heizung im Gewerbesteuergesetz gleichzustellen. Konkret wollen wir im Gewerbesteuergesetz eine Regelung treffen, wonach die Lieferung von Mieterstrom unschädlich für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist.

BBH-Blog: Warum werden nicht auch für KWK-Anlagen bessere Förderungen von Mieterstrom angeboten, wo doch die Technologie besonders CO2-reduziert und damit klimafreundlich ist?

Gremmels: Mit seinem Schreiben vom Juni dieses Jahres hat Bundesminister Peter Altmaier eine Novelle des Mieterstroms noch für den Herbst dieses Jahres zugesagt und darin sehr konkrete Eckpunkte dieser Novelle benannt. Aus unserer Sicht ist es eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, dieser schriftlichen Zusage nun nachzukommen und dabei mindestens die genannten Eckpunkte zu adressieren. Aus diesem Grund haben wir uns in dem Gesetzesentwurf möglichst eng an den von Bundesminister Peter Altmaier zugesagten Eckpunkten orientiert, die aus unserer Sicht schon sehr zeitnah konsensfähig sein sollten. Selbstverständlich ist die SPD-Bundestagsfraktion offen für weitere sinnvolle Maßnahmen, die die klimafreundliche Energieversorgung im Quartier voranzubringen vermögen.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Gremmels, herzlichen Dank für das Gespräch.

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