Stadtbahnausbau kann steuerliche Risiken bergen

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Stadtbahnnetze zu bauen oder auszubauen, kostet viel und ist typischerweise mit tiefgreifenden Eingriffen in das Straßen- und Wegenetz verbunden. Auch das Stadtbild wandelt sich dadurch, oft zum Positiven: Straßen, Plätze und Gehwege werden neu angelegt, verlegt oder verbessert, von den sogenannten Ausgleichsmaßnahmen, wie dem Anlegen von Grünflächen, Biotopen oder dem Pflanzen von Bäumen ganz zu schweigen. Die Verkehrsunternehmen bekommen eine bessere Infrastruktur, die Bürger – jedenfalls wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind – mehr Lebensqualität. Alle müssten eigentlich zufrieden sein.

Wäre da nicht der Fiskus. Der richtet seine Aufmerksamkeit, wie Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zeigen, vermehrt auch auf den „Mehrwert“ für eine Stadt in Gestalt des Baus neuer Straßen, Plätze, Gehwege, Brücken, Tunnels, Übergänge, Anlagen, Grünflächen und so fort. Das Eigentum an ihnen, soweit sie der öffentlichen Nutzung gewidmet sind, geht in der Regel nach Bauabschluss unmittelbar auf die Stadt über. Steuerliche Probleme entstehen insbesondere dann, wenn die kommunalen Verkehrsunternehmen, was in der Praxis häufig vorkommt, mit der Planung und der Durchführung der gesamten Maßnahmen beauftragt werden. Denn dies nehmen die Finanzbehörden gern zum Anlass, diese Vorgänge der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen.

Soweit die Verkehrsunternehmen die Bauleistungen insgesamt in Auftrag geben, nehmen sie in der Regel auch ihr Recht auf Vorsteuerabzug aus den gesamten Eingangsleistungen in Anspruch; auch insoweit, als diese auf Leistungen entfallen, deren finale Nutzung nicht im Verkehrsunternehmen, sondern im städtischen Bereich erfolgt. Entsprechend beantragen Verkehrsunternehmen Fördermittel häufig auf der Grundlage sogenannter Nettobeträge, also ohne die Umsatzsteuer einzubeziehen.

Oftmals unbeachtet bleibt dabei jedoch, dass die Finanzverwaltung zwar nicht die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aufgreift, die Baumaßnahmen „zugunsten“ der Stadt jedoch in der Regel der Umsatzsteuer unterwirft. Soweit die Stadt dem Verkehrsunternehmen, auf der Grundlage der jeweiligen Gestattungsverträge, keinen Kostenersatz leistet, beurteilten die Finanzbehörden die Herstellung von Straßen, Gehwegen, Signalanlagen usw. als unentgeltliche Wertabgaben im Sinne des § 3 Abs. 1b bzw. 9 a Nr. 2 UStG.

Zu deren Bemessungsgrundlage rechnet die Finanzverwaltung nicht nur den sogenannten Eigenfinanzierungsanteil, sondern die gesamten auf die jeweiligen Maßnahmen entfallenden Kosten einschließlich der durch Zuschüsse geförderten. Wirtschaftlich betrachtet werden die Vorhaben daher umsatzsteuerlich so gestellt, als ob bezüglich der nicht unmittelbar auf die Stadtbahn entfallenden Baumaßnahmen kein Vorsteuerabzug bestünde.

Ein vergleichbares Ergebnis tritt ein, wenn die Stadt dem Verkehrsunternehmen nur einen Teil der Kosten erstattet, beispielsweise in Höhe des sogenannten Eigenfinanzierungsanteils, da in den Fällen, in denen die Kommune an dem Verkehrsunternehmen mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG gilt.

Teilweise Versagung des Vorsteuerabzugs

Wenn die Verkehrsunternehmen bei den Zuschussbehörden Fördermittel auch für die umsatzsteuerliche Mehrbelastung beantragen, stoßen sie oft auf weitere Schwierigkeiten: Denn ob diese der Versagung des Vorsteuerabzugs aus Fördermittelsicht gleichzustellen ist, ist nicht zweifelsfrei geregelt.

Nach dem BMF-Schreiben vom 2.1.2012 – IV D 2 – S 7300/11/10002 – wird dies hingegen nur noch gelten, wenn die Stadt dem Verkehrsunternehmen einen Kostenersatz leistet und damit zwischen dem Verkehrsunternehmen und der Stadt ein entgeltlicher Leistungsaustausch begründet wird.

Denn nach den Urteilen des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 13.1.2011, V R 12/08 („Erschließungsgesellschaft“) und vom 3.3.2011, V R 23/10 („Marktplatzurteil“) besteht die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nur dann, wenn das Unternehmen die bezogenen Leistungen u.a. für steuerpflichtige Ausgangsumsätze verwendet.

Ist von Beginn an beabsichtigt, Leistungen ganz oder teilweise nichtwirtschaftlich zu verwenden, zum Beispiel die unentgeltliche Herstellung von öffentlichen Straßen und Anlagen, entfällt auch die Vorsteuerabzugsberechtigung ganz oder teilweise. Etwas anderes soll lediglich bei Privatentnahmen natürlicher Personen oder Entnahmen für die privaten Zwecke des Personals gelten, wenn ursprünglich eine wirtschaftliche Nutzung beabsichtigt war. Nicht hierunter fallen hingegen die von Beginn an geplante nichtunternehmerische Verwendung in der hoheitlichen Sphäre einer Stadt.

Bei Leistungsbezügen bis 30.3.2012 räumt die Finanzverwaltung den betroffenen Unternehmen zwar noch ein Wahlrecht mit Vorsteuerabzugsberechtigung und anschließender Wertabgabenbesteuerung ein, nicht mehr aber für Leistungsbezüge nach dem 31.3.2012; für diese wird der Vorsteuerabzug ohne Einschränkungen verwehrt werden.

Die Auswirkungen werden anhand eines einfachen Rechenbeispiels deutlich: Angenommen der Ausbau einer Stadtbahnlinie kostet netto rund 100 Mio. Euro. Angenommen davon entfallen die Hälfte auf reine Stadtbahninvestitionen und die andere Hälfte auf risikobehaftete Investitionen in öffentliche Verkehrswege und andere Folgemaßnahmen. Das umsatzsteuerliche Risiko beträgt in diesem Fall rund 9,5 Mio. Euro. Soweit die Umsatzsteuer nicht als zuschussfähig beurteilt wird und kein anderer Ausgleich gefunden wird, wird das Verkehrsunternehmen auch in dieser Höhe belastet. Soweit die Umsatzsteuer auch nachträglich noch als förderfähig erachtet wird, beläuft sich die Belastung in dem vorliegenden Beispiel, eine Förderquote von 60 Prozent unterstellt, immerhin noch auf rund 3,8 Mio. Euro.

Kommunen und Verkehrsunternehmen sollten bereits im Planungsstadium die konkreten Leistungen steuerlich bewerten und mit den Finanzbehörden verbindlich abstimmen. Dies sollte bis zum Beginn der Verhandlungen mit den Zuschussbehörden abgeschlossen sein, damit ggf. eintretende steuerliche Mehrbelastungen in diese einfließen können.

Aber auch bei laufenden ÖPNV-Infrastrukturvorhaben sollte man sich der oben dargestellten Problematik widmen; droht doch für Leistungsbezüge ab dem 31.3.2012, dass die Finanzverwaltung zumindest teilweise den Vorsteuerabzug versagen wird. In diesen Fällen ist als erstes zu prüfen, inwiefern sich das Verkehrsunternehmen auf eine gesicherte Rechtsposition, zum Beispiel eine verbindliche Auskunft des Finanzamts, berufen kann.

Von der Vielzahl von ertragsteuerlichen Gesichtspunkten, die außerdem zu beachten sind, war hier noch gar nicht die Rede. Ein Beispiel soll genügen: In den Regelungen des jeweiligen Gestattungsvertrags könnten sich verdeckte Gewinnausschüttungen verstecken. Das muss vorab genau geprüft werden.

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