Die Dialektik der Energiewende

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Seit Hegel wissen wir, dass These und Antithese sich nicht ausschließen, sondern in der Synthese zusammen finden können – und dass diese auf einer höheren Ebene auch wieder nur eine neue These darstellt, wiederum einer Antithese gegenübersteht, eine neue Synthese bildet und so weiter und so fort.

Warum dieser Exkurs in die Geschichtsphilosophie? Weil Hegels Dialektik auf das passt, was man im Augenblick in der Energiepolitik beobachten kann: Die Politik formuliert Ziele, indem sie entsprechende Gesetze schafft. Diese Gesetze prallen auf die Wirklichkeit. Man erkennt, wo die Gesetze nicht passen, wo sie geändert oder erweitert werden müssen. Man erkennt, wo noch der „Schmierstoff“ von Verordnungen, Festlegungen, Üblichkeiten und Gewohnheiten fehlt. Dieses „Feedback“ nimmt der Gesetzgeber wieder auf, macht eine Novelle, mit der er seine politischen Ziele schärft, korrigiert oder einfach nur wirklichkeitskompatibel werden lässt. Und dann geht das Spiel von vorne los, da sich gleichzeitig die Wirklichkeit auch noch ändert, z. B. durch technologische, wirtschaftliche oder soziale Weiterentwicklungen.

Und das sehen wir gerade in der Energiepolitik. In seltener Einmütigkeit plant die Politik nichts Geringeres, als in den nächsten Jahrzehnten die Energiewirtschaft vollständig umzubauen. Es ist, da muss man dem Siemens-Chef Löscher Recht geben, ein „Jahrhundertprojekt“. Die Ziele, die mit der Energiewende verfolgt werden, müssen sich aber wieder und wieder an den Möglichkeiten des Faktischen prüfen lassen. Man wird bei einem so großen Projekt wieder und wieder nachsteuern. Und das heißt auch, dass wieder und wieder Gesetze geändert, ergänzt oder abgeschafft werden müssen.

In einer solchen Zeit muss man akzeptieren, dass die Wirklichkeit einen permanent überholt. Man darf stolz auf das bereits Erreichte sein, man darf aber nicht zu stolz werden, um Verbesserungen zuzulassen. Man darf ehrgeizig sein, die Energiewende mitgestalten zu wollen, aber nicht so ehrgeizig, dass alles nur nach der eigenen Nase laufen darf. Man darf Gutes bewahren, aber sollte sich hüten, dabei zu einem musealen Ausstellungsstück zu werden.

Es gilt daher jetzt, die Ziele der Energiewende mit der Lebenswirklichkeit der Energiewirtschaft in Einklang zu bringen. Die Entwicklung wird spiralförmig verlaufen, die Realität wird Anforderungen an die normativen Vorgaben richten. Schon jetzt sind viele am Grübeln, wie sich der Energiemarkt weiterentwickeln wird, ob es ausreichend Preissignale für Kraftwerksneubauten gibt, wie sich die EEG-Umlage entwickeln wird, wie Energieeinsparanreize gesetzt werden können, mit welchen Lösungen wir die Stabilität der Netze gewährleisten werden.

Es gilt die dialektischste aller Fußballerweisheiten: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Die Energiewende ist nie ganz vollzogen, die nächste Energierechtsnovelle kommt bestimmt. Dieser Herbst steht ganz im Zeichen der Antithese, also der Wirklichkeit, die auf die These der politischen Vorgabe reagieren muss. Die Hoffnung sagt, dass daraus eine höherwertige Synthese entsteht, ein Fortschritt auf der Spirale hin zu einer optimalen Energieversorgung.

Genau zu diesem Thema veranstaltet die Kanzlei Becker Büttner Held ihre 16. Energie-konferenz. Unter dem Titel „Die Energiewende in Deutschland – Bewertung und politische Umsetzung“ werden am 11. November 2011 Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft darüber diskutieren, welche Herausforderungen sich aus dem politischen Ziel der ambitionierten Energiewende ergeben – und wie diese zu bewältigen sein können. Nähere Informationen* erhalten Sie hier.

Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Prof. Dr. Ines Zenke

* Bitte beachten Sie: Sie benötigen eine Einladung, um an unserer Konferenz teilzunehmen. Es sind nur noch einige wenige Plätze frei. Wir freuen uns auf Sie.

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