Mehr für weniger? Das Paradox in der Netzwirtschaft

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Die Frage klingt technisch, ist aber von größter Tragweite: Am 17.1.2018 wird das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf darüber entscheiden, ob die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Höhe des EK-Zinssatzes für die 3. Regulierungsperiode nach oben korrigieren muss. Rund 1.100 Beschwerden sind hier anhängig. Von der Antwort hängt ab, ob sich Deutschland – als ein Land mit einer hochmodernen, innovativen und engagierten Energiewirtschaft – auch das entsprechende Rückgrat dafür leistet: sichere Netze.

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Ambivalenz der BNetzA: Einerseits betont sie immer wieder, wie sehr der Netzausbau ihr am Herzen liegt. „Stromnetze sicher gestalten“, so lautet der Slogan der BNetzA auf ihrer Website www.netzausbau.de. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, das Erhalten einer hohen Versorgungssicherheit und die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarkts werden dort als die zentralen Gründe dafür genannt, weshalb auch in Zukunft weiter in die Netze investiert werden muss. Dem könnte man noch einige mehr hinzufügen: Mindestens die Mobilitätswende und die Sektorenkopplung, politisch die Next big things, werden weitere Ansprüche an die Netzinfrastruktur stellen. Auch die Digitalisierung wird sich entsprechend niederschlagen. Die einzelnen Sektoren, wie Verkehr und Wärme, wachsen immer stärker zusammen, die Industrie muss auch zukünftig auf konstant zuverlässige Produktionsbedingungen vertrauen können und nicht zuletzt muss das, was wir mit der Energiewende begonnen haben, auch konsequent zu Ende gedacht werden. Dabei ist der Ausbau der Netze ein wichtiger Faktor. Eine andere, ebenfalls kostspielige, und nicht minder notwendige Aufgabe ist allein die Instandhaltung und Modernisierung der Netze. Investitionen in die Netze sind deshalb eine Conditio sine qua non eines modernen Industrielandes.

Wer all dies weiß, könnte man meinen, der kennt auch die Rahmenbedingungen, die für entsprechende Investitionen geschaffen werden müssen. Aber nichts dergleichen. Wie die BNetzA Ende 2016 auf einer anderen Website www.bundesnetzagentur.de bekannt gegeben hatte (hier – Beschl. v. 5.10.2016, BK4-16-161 – bzw. hier – Beschl. v. 5.10.2016, BK4-16-160), möchte sie den Netzbetreibern in der bevorstehenden 3. Regulierungsperiode sogar bedeutend weniger finanzielle Mittel dafür zur Verfügung stellen. Mehr Investitionen in die Netze mit weniger Budget? Das passt nicht recht zusammen.

Am Anfang war: die Eigenkapitalverzinsung

Netzbetrieb ist ein natürliches Monopol, daher wird er streng reguliert. Unter die Regulierung fällt auch die Höhe der Netzentgelte, die jeder Netzbetreiber seinen Anschlussnutzern in Rechnung stellen darf. Diese Netzentgelte wiederum sind abhängig von der Erlösobergrenze, die die BNetzA für die Netzbetreiber individuell festsetzt. Und bohrt man noch tiefer, gelangt man zum Pudels Kern: der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung. Je geringer der Eigenkapitelzinssatz, desto weniger finanzielle Mittel stehen den Netzbetreibern zur Verfügung, um in ihre Netze zu investieren – wir erinnern uns: „Stromnetze sicher gestalten“. In der 3. Regulierungsperiode sollen die Netzbetreiber diese wichtige Aufgabe mit über 2 Mrd. Euro weniger Budget bewältigen als noch in der 2. Regulierungsperiode, denn die BNetzA hat den Eigenkapitalzins von 9,05 Prozent auf 6,91 Prozent für Neuanlagen und von 7,14 Prozent auf 5,12 Prozent für Bestandsanlagen gesenkt. Und dies, obwohl sich die am Markt beobachtbare Rendite im Vergleich zu der Vergangenheit nur unwesentlich verändert hat. Zahlreiche Netzbetreiber sehen ihr unternehmerisches Risiko nicht angemessen gewürdigt und stellen die Methodik, mit der die BNetzA den Zinssatz ermittelte, in Frage. Während die Berechnungssystematik für den Basiszins rechtlich verankert ist, ist die BNetzA bei der Ermittlung des Wagniszuschlags als Bestandteil des EK-Zinses verpflichtet, methodisch nachvollziehbar vorzugehen und dabei wissenschaftlichen Anforderungen zu genügen.

Und tatsächlich gibt es hier von vielen Seiten Kritik. Sich lediglich historische Studien anzusehen, die über 100 Jahre zurückgehen – das führt vor dem aktuellen Hintergrund einer andauernden Staatsschuldenkrise nicht zum Ziel, eine zukünftige Marktrisikoprämie zu definieren. Bei einem solch langen Betrachtungszeitraum werden Strukturbrüche, die gerade im 21. Jahrhundert häufiger geworden sind, relativiert und führen zu aktuell falschen Ergebnissen. So wie die Finanzmarktkrise, mit deren Folgen wir schließlich als europäische Staatsschuldenkrise noch immer zu kämpfen haben.

Ansprechpartner: Stefan Missling/ Rudolf Böck/Thomas Strasser

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