OLG München bestätigt ÖPNV-Direktvergabe an das eigene kommunale Verkehrsunternehmen

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Einer Kommune steht es uneingeschränkt frei, ihren Öffentlichen Personen- und Nahverkehr (ÖPNV) mit eigenen Beteiligungsgesellschaften (interner Betreiber) zu organisieren. Das ist die Quintessenz einer Entscheidung (Az. Verg 14/15) des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 31.3.2016 . In dem Beschluss wird die Direktvergabe des öffentlichen Personenbeförderungsauftrags der Stadt Augsburg an ihr eigenes kommunales Verkehrsunternehmen für rechtmäßig erklärt. Es dürfte sich dabei um die erste obergerichtliche Bestätigung einer Direktvergabe nach EU-Verordnung VO (EG) Nr. 1370/2007 im Anwendungsbereich des neuen § 8 Abs. 3 PBefG handeln. Der Beschluss hat damit über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung für die Verteidigung öffentlicher Verkehrsunternehmen im Marktzugangsverfahren nach VO (EG) Nr. 1370/2007 und Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sowie für die Gestaltung rechtskonformer öffentlicher Dienstleistungsaufträge.

Die Stadt Augsburg hatte vorab EU-weit bekanntgegeben, auslaufende Liniengenehmigungen für Busverkehrsleistungen im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags gegenüber dem eigenen Verkehrsunternehmen fortsetzen zu wollen. Daraufhin hatte ein privates Verkehrsunternehmen einen eigenwirtschaftlichen Genehmigungsantrag gestellt, der jedoch abgelehnt wurde. Zugleich wurde die Direktvergabe über den Vergaberechtsweg angegriffen. Im Wesentlichen trug der private Wettbewerber dabei vor, Direktvergaben seien im deutschen Recht per se unzulässig, verletzten private Verkehrsunternehmen in ihren Grundrechten und die Voraussetzungen für eine Direktvergabe an den internen Betreiber gem. Art. 5 II VO (EG) Nr. 1370/2007 lägen nicht vor.

Diese Argumente überzeugten weder die Vergabekammer Südbayern (Beschl. v. 07.10.2015, Az.: Z3-3-3194-1-36-05/15) noch das OLG München.

Ausschreibungsfreie Direktvergaben öffentlicher Dienstleistungsaufträge an kommunaleigene Verkehrsunternehmen sind sowohl nach EU-Recht als auch im deutschen Recht zulässig. Eindeutiger als in § 8a Abs. 3 PBefG konnte der deutsche Gesetzgeber die Zulässigkeit von Direktvergaben nicht formulieren. Soweit dies landesrechtlich anders geregelt ist, sei dies wegen des Vorrangs des bundesrechtlichen PBefG unbeachtlich.

Es gebe auch keinen Zweifel daran, dass § 8a Abs. 3 PBefG verfassungsmäßig ist. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass eine Direktvergabe den Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt. Denn ein objektives Marktzugangshindernis werde durch Art. 8a Abs. 3 PBefG wegen des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehrsleistungen gerade nicht geschaffen. Dies sei nur dann der Fall, wenn es privaten Unternehmen generell unmöglich gemacht werden würde, überhaupt Personenbeförderungsleistungen eigenständig zu erbringen.

Die Entscheidung für eine Direktvergabe beruhe zudem auf einem vom Gesetzgeber gewollten Wahlrecht zwischen Ausschreibung oder Direktvergabe. Er verlange nicht, die Entscheidung am Maßstab eines „ökonomischen Effizienzvergleiches“ zu treffen.

Ferner setze die Anwendbarkeit von Art. 5 II VO (EG) Nr. 1370/2007 auch nicht voraus, dass eine Dienstleistungskonzession vorliegt, sondern gelte für jede Inhouse-Vergabe. Insbesondere entfalte Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 keine Sperrwirkung dergestalt, dass im Falle von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen die allgemeine Inhouse-Rechtsprechung nicht mehr zur Anwendung kommt. Das würde nämlich dazu führen, dass im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs Inhouse-Vergaben in Form von Dienstleistungsaufträgen grundsätzlich nicht mehr möglich wären. Dies werde jedoch durch nichts gestützt und widerspreche dem Geist der VO (EG) Nr. 1370/2007.

Im konkreten Fall lagen auch die Voraussetzungen für eine Direktvergabe an den internen Betreiber vor. Die erforderliche Kontrolle könne nämlich selbst im Falle einer vorgelagerten kommunalen Holdingstruktur mit obligatorischem Aufsichtsrat gewährleistet werden.

Schließlich bestätigt der Senat, dass sich öffentliche Dienstleistungsaufträge aus „mehrpoligen“ Akten zusammensetzen können, wenn der kommunale Rechtsakt an den Bestand und die Laufzeit der Liniengenehmigungen gekoppelt wird. Der öffentliche Dienstleistungsauftrag wird dann bei einer ordnungsgemäßen Fortsetzungsvergabe über die Liniengenehmigungen komplettiert.

Im Ergebnis wird damit erstmalig in einem Vergaberechtsstreit eindeutig klargestellt, dass private Verkehrsunternehmen außerhalb tatsächlich eigenwirtschaftlicher Angebote keinen Wettbewerb bei der Auftragsvergabe erzwingen können. Selbstverständlich müssen die Voraussetzungen für eine Direktvergabe an den internen Betreiber strikt eingehalten werden. Überzogenen Anforderungen an die Gestaltung von direktvergabefähige Strukturen – wie sie im Lager der privaten Verkehrsunternehmen gefordert werden – müssen dabei jedoch keine Beachtung geschenkt werden.

Zudem schwenkt nun das OLG München auf die bereits von der Europäischen Kommission im Beschluss betreffend die ÖPNV- Finanzierung im VRR vom  23.2.2011 über die staatliche Beihilfe C 58/2006 festgestellten „multipolaren Betrauungsakte“ als Grundlage für den öffentlichen Dienstleistungsauftrag im zweigliedrigen Marktzugangsregime des PBefG ein. Damit passt sich – bei richtiger Gestaltung des Verfahrens und der Rechtsakte – die vergaberechtliche Bewertung einer Erteilung von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nunmehr endlich an die beihilfenrechtliche Sichtweise an und führt insofern zu mehr Rechtssicherheit im Marktzugangsverfahren.

Ansprechpartner: Dr. Christian Jung/Folkert Kiepe

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