Startschuss für die PBefG-Novelle (Teil 1)

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Am 3.8.2011 hat das Bundeskabinett den Entwurf zur Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) beschlossen. Dabei geht es um die Anpassung des nationalen Rechts an die VO (EG) Nr. 1370/2007 und um die Liberalisierung des Fernbusverkehrs. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll das Gesetzgebungsverfahren bis Anfang 2012 abgeschlossen sein. Spannend bleibt, ob dieser Zeitplan trotz des bereits angekündigten Widerstands im Bundesrat eingehalten werden kann. Insbesondere das kommunale Lager ist mit dem aktuellen Regierungsentwurf nicht zufrieden und will den Bundesrat zur Durchsetzung seiner Interessen instrumentalisieren.

Zahlreiche Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf

Der aktuelle Regierungsentwurf enthält zahlreiche Änderungen in Abweichung vom Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums aus Januar 2011. Die Anpassung an die VO (EG) Nr. 1370/2007 ist dabei deutlich stringenter und konsequenter gelungen als noch im Referentenentwurf.

Zahlreiche Kritikpunkte, die wir in unserem 16. BBH-ÖPNV-Newsletter aus dem März 2011 mit Blick auf den Entwurf aus dem Verkehrsministerium formuliert hatten, sind tatsächlich in dem aktuellen Regierungsentwurf aufgegriffen und umgesetzt worden. So soll es neben dem ohnehin mit der Liniengenehmigung verbundenen ausschließlichen Linienbedienungsrecht keinen zusätzlichen kommunal initiierten Ausschließlichkeitsschutz mehr geben. Das Vorliegen eines ausschließlichen Rechts ist zudem jetzt für die Definition der Eigenwirtschaftlichkeit unschädlich. Ferner wird ein eigenständiges verkehrsspezifisches wettbewerbliches Vergabeverfahren für öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß den Vorgaben des Art. 5 III VO (EG) Nr. 1370/2007 unmittelbar im PBefG geschaffen, und es kann in diesem Verfahren auch explizit zugelassen werden, Unteraufträge gemäß den Vorgaben in Art. 4 VII VO (EG) Nr. 1370/2007 zu vergeben.

Kommunale Verkehrsunternehmen bleiben benachteiligt

Gleichwohl bleibt es bei einer deutlichen Benachteiligung kommunaler Verkehrsunternehmen: Einerseits sind eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen noch enger definiert und somit im Gegensatz zur derzeit noch geltenden Rechtslage eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen kommunaler Verkehrsunternehmen mit öffentlichem Dienstleistungsauftrag nicht mehr zulässig.

Andererseits bleiben kommunale Nahverkehrspläne bezüglich der Frage, was eine ausreichende Verkehrsbedienung ist, gegenüber den Genehmigungsbehörden weiterhin unverbindlich, so dass die Qualitätsvorgaben des Aufgabenträgers für eine ausreichende Verkehrsbedienung durch privat initiierte Verkehrsleistungen unterlaufen werden können.

Anders als gegenwärtig werden kommunale Unternehmen daher aufgrund des Vorrangs eigenwirtschaftlicher vor kommunal initiierten Verkehrsleistungen auf kommerziell tragfähigen Linien keinen gleichrangig berücksichtigungsfähigen Genehmigungsantrag mehr stellen können. Gegen das „Rosinenpicken“ wirtschaftlich tragfähiger Linien werden kommunale Unternehmen zudem gemäß dem neuen Versagungsgrund in § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. d) PBefG-Regierungsentwurf nur mit Blick auf bereits bestehende Verkehrsleistungen in einem vorhandenen Verkehrsnetz geschützt, nicht jedoch auf neuen Linien.

Auch schafft der aktuelle Regierungsentwurf keine hinreichende Rechtssicherheit mit Blick auf die Direktvergabe so genannter „multipolarer Betrauungsakte“, also die Erteilung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags durch mehrere verbindliche Rechtsakte gemeinsam durch Aufgabenträger und Genehmigungsbehörde. Die VO (EG) Nr. 1370/2007 lässt eine solche gemeinsame Direktvergabe über die Figur der „Gruppe von zuständigen Behörden“ zu. Der Regierungsentwurf erwähnt die Zulässigkeit solcher „multipolarer Betrauungsakte“ einer Gruppe von Behörden zwar in der Begründung, nicht aber im Gesetzestext selbst.

Vergabekammern prüfen immer

Eine eindeutige Regelung, wann Direktvergaben gemeinsam durch Aufgabenträger und Genehmigungsbehörde zulässig sind, ist aber gerade mit Blick auf die neuen Regelungen für die Nachprüfung von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen zwingend erforderlich. Unabhängig von der Wahl des Vergabeverfahrens und des einschlägigen Vergaberechtsregimes, also Direktvergaben oder wettbewerbliche Vergabe gemäß der VO (EG) Nr. 1370/2007 oder Ausschreibung gemäß GWB, sollen öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß dem Regierungsentwurf nämlich stets von den Vergabenachprüfungsstellen überprüft werden können.

Da aber die deutschen Vergabestellen bislang jede kleinste Unzulänglichkeit bei der Direktvergabe an ein eigenes kommunales Verkehrsunternehmen zu Ungunsten der kommunalen Verkehrswirtschaft dankbar aufgegriffen haben, wäre ein klares Bekenntnis des Gesetzgebers zur Direktvergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen gemeinsam durch Aufgabenträger und Genehmigungsbehörde als Gruppe zuständiger Behörden als ein eindeutiges gesetzgeberisches Signal an die Nachprüfungsinstanzen wünschenswert.

[Fortsetzung folgt]

Ansprechpartner: Dr. Christian Jung

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