Unterfällt der Infrastrukturausbau zukünftig Europäischem Beihilfenrecht?

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Wenn ein Flughafenbetreiber die Infrastruktur des Flughafens ausbaut – ist das beihilferechtlich als „wirtschaftliche Tätigkeit“ anzusehen? Über diese Frage hatte der EuGH erstmalig am 19.12.2012 in der Sache Flughafen Leipzig/Halle (Rs. C-288/11 P)  zu entscheiden. Zuvor hatte er bereits in seiner Entscheidung in der Sache Aéroports de Paris die Tätigkeit des Flughafenbetriebs an sich als wirtschaftlich eingestuft. Jetzt bewertet er auch die Errichtung von Flughafeninfrastruktur als wirtschaftliche Tätigkeit eines Flughafenbetreibers.

Dies wurde bisher von Flughafenseite – und auch von der Klägerseite im konkret vorliegenden Fall – aus verschiedenen Gründen verneint (siehe auch hier): So sei der Bau und Ausbau von Flughafeninfrastruktur nach Ziff. 12 der Leitlinien von 1994 eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme, die nicht der beihilfenrechtlichen Kontrolle der Europäischen Kommission unterliege. Daran hätte auch die oben bereits erwähnte und nach Erlass der Leitlinien von 1994 ergangene Entscheidung in der Sache Aéroport de Paris nichts geändert, denn dort ging es, anders als im Fall Flughafen Leipzig/Halle, um die Tätigkeit eines internationalen Großflughafens. Anders als eine wirtschaftliche Tätigkeit sei die Errichtung von Flughafeninfrastruktur vielmehr ein elementarer Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit eine typisch hoheitliche Aufgabe, die vom grundsätzlichen Verbot staatlicher Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV ausgenommen sei.

Eine wirtschaftliche Tätigkeit könne die Errichtung von Flughafeninfrastruktur außerdem schon deshalb nicht sein, weil sie nicht rentabel sei und insbesondere nicht über Flughafenentgelte finanziert werden könne. Diese werden nämlich gerade nicht nach unternehmerischen Gesichtspunkten frei festgesetzt, sondern müssen von der zuständigen Landesflughafenbehörde nach feststehenden Kriterien geprüft und genehmigt werden.

Der EuGH wollte dieser Argumentation ebenso wenig folgen wie zuvor die Europäische Kommission und das EuG: Betrieb und Errichtung von Flughafeninfrastruktur seien eine untrennbare Einheit, da ohne letzteren ersterer nicht möglich sei. Daher müssten beide Tätigkeiten zwingend zusammen geprüft werden. Da der Betrieb von Flughafeninfrastruktur aber seit der oben bereits erwähnten EuGH-Entscheidung in der Sache Aéroport de Paris als wirtschaftliche Tätigkeit anerkannt sei, handle es sich folgerichtig auch bei der Errichtung von Flughafeninfrastruktur um eine wirtschaftliche Tätigkeit.

Die Leitlinien von 1994 könnten hier keine Geltung mehr erlangen, da sich die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Flughafenbetriebs seit dem Erlass der Leitlinien derart hin zu mehr Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit verändert habe, dass die aktuelle Flughafenlandschaft nichts mehr mit der den Leitlinien zugrunde liegenden gemein habe.

Dieser Argumentation lässt sich entgegenhalten, dass nach dem allgemein anerkannten funktionalen Unternehmensbegriff die Unternehmereigenschaft je nach der konkret in Frage stehenden Tätigkeit beurteilt werden muss. Ausnahmen werden in der Regel nur gemacht, wenn die verschiedenen Tätigkeiten nicht getrennt betrachtet werden können. Das ist aber bei dem Betrieb eines Flughafens einerseits und der Errichtung der zugehörigen Infrastruktur andererseits nicht der Fall. Außerdem würde dieser Ansatz dazu führen, dass nun alle Tätigkeiten, die Voraussetzung für den Betrieb von Infrastrukturen seien, als wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen seien, selbst wenn es sich dabei um originär hoheitliche Maßnahmen handle.

Wie schon in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zur „Modernisierung des EU-Beihilfenrechtes“ vom 19.1.2013 hervorgehoben, sollte grundsätzlich geklärt werden, wie öffentlich finanzierte Infrastrukturmaßnahmen behilfenrechtlich zu beurteilen sind, insbesondere wenn die öffentliche Hand in Form eines privatrechtlichen Unternehmens tätig wird. Denn der Ausgang des Verfahrens in der Sache Flughafen Leipzig/Halle birgt in der Tat die Gefahr für andere Infrastrukturbereiche, nun auch vermehrt beihilfenrechtlicher Kontrolle unterzogen zu werden. Allerdings kommt es auch hier stark auf den Einzelfall an, denn wie die Finanzierungsbedingungen konkret ausgestaltet und die öffentliche Förderung im konkreten Fall begründet ist, kann die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Beihilfen maßgeblich beeinflussen. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte daher zukünftig – auch vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs in anderen Infrastrukturbereichen (als ein aktuelles Beispiel sei hier der Eisenbahnverkehr genannt) – an eine Voranmeldung (Prenotifizierung) der Beihilfen bei der Kommission gedacht werden, denn diese ermöglicht bereits im Vorlauf zum eigentlichen Notifizierungsverfahren das Gespräch mit der Kommission, um eventuelle beihilfenrechtliche Bedenken auszuräumen bzw. die Investition so anzupassen, dass sie beihilfenrechtlich unbedenklich ist. Eine solche Verfahrensweise ermöglicht so eine größere Investitionssicherheit.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet

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