Willkommen in der neuen Welt des PBefG! Auf die Vorabbekanntmachung kommt es jetzt an!

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Seit Jahreswechsel ist die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) in Kraft. Sie regelt auf nationaler Ebene den Marktzugang für Personenbeförderungsdienste und passt das nationale Personenbeförderungsrecht an die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 an.

Die besagte EU-Verordnung vom 23.10.2007  ist seit dem 3.12.2009 unmittelbar geltendes Recht in der Europäischen Union. Wegen Diskrepanzen zu der EU-Verordnung musste das deutsche PBefG an die Vorgaben des europäischen Rechts angepasst werden. Nach langem Streit einigte sich das Bundeskabinett im Juni 2011 im zweiten Anlauf endlich auf einen Entwurf (BT-Drs. 17/8233) und brachte ein Gesetzgebungsverfahren in Gang.

Politischer Streit beendet – vor den Gerichten geht es weiter

Die Anhörung der Sachverständigen und der betroffenen Verbände am 29.2.2012 brachte die Verkehrspolitiker in Bundestag und Bundesrat dazu, in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe und gemeinsam mit Ländervertretern zu den zentralen Streitpunkten Kompromissvorschläge zu erarbeiten. Am 14.9.2012 legte die Arbeitsgruppe Ergebnisse vor, und die wurden sowohl von den kommunalen Spitzenverbänden als auch vom Verkehrsgewerbe im Grundsatz begrüßt, weil nur auf dieser Grundlage die dringend erforderliche Rechtssicherheit im deutschen Personenbeförderungsrecht in absehbarer Zeit – dass heißt in der laufenden Legislaturperiode – erreicht werden konnte. Bundestag und Bundesrat stimmten auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Berichts (BT-Drs. 17/10857) des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung vom 26.9.2012 am 27.9.2012 bzw. am 2.11.2012 zu, so dass das neue PBefG in dieser Fassung (BR-Drs. 586/12) nunmehr endlich zum 1.1.2013 in Kraft treten konnte.

Der politische Streit über die Notwendigkeit und den Umfang einer Anpassung des nationalen Rechts an die europäischen Vorgaben ist damit endlich beendet. Der juristische Streit, wie die neuen Genehmigungsregeln vor dem Hintergrund des vorgegebenen EU-Rechtsrahmens auszulegen sind, wird jedoch mit unverminderter Härte weitergehen.

Wandel von der Eigen- in die Gemeinwirtschaftlichkeit

Die wohl einschneidendste Änderung für die Verkehrsunternehmen im neuen Rechtsregime ist wohl, dass sich ihr Genehmigungsstatus von der Eigen- in die Gemeinwirtschaftlichkeit ändert. Früher erfasste der Begriff der Eigenwirtschaftlichkeit die allermeisten Verkehrsleistungen. Jetzt wird er so eng gefasst, dass eigenwirtschaftlich nur noch solche Verkehre sein können, die – abgesehen von Ausgleichsleistungen aus allgemeinen Vorschriften – ohne jegliche öffentliche Ausgleichsleistung oder einer Gewährung von ausschließlichen Rechten auskommen. Denn solche staatlichen Interventionen bedürfen nach den europäischen Vorgaben immer eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags und gelten daher auch im neuen PBefG konsequenterweise als gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen im Sinne des EU-Rechts.

Die Konzeption des PBefG wirft ohnehin die Frage auf, ob nicht jeder Liniengenehmigung immer auch ein die Gemeinwirtschaftlichkeit begründendes ausschließliches Bedienungsrecht innewohnt. Doch unabhängig von dieser umstrittenen Frage kommt für die regelmäßig defizitären kommunalen Verkehrsunternehmen sowieso nur noch ein gemeinwirtschaftlicher Verkehrsantrag in Frage. Denn für Verkehrsleistungen, die im steuerlichen Querverbund finanziert werden, ist, anders als nach der alten Rechtslage, die Eigenwirtschaftlichkeit jetzt per definitionem ausgeschlossen. Damit ist den allermeisten kommunalen Verkehrsunternehmen, deren Liniengenehmigungen auslaufen, nur ein gemeinwirtschaftlicher Genehmigungsantrag möglich. Den gemeinwirtschaftlichen Genehmigungsantrag können Verkehrsunternehmen aber nicht mehr auf eigene Initiative, sondern nur noch auf der Grundlage vorbereitender Handlungen des Aufgabenträgers stellen.

Auf die Vorabbekanntmachung kommt es an

Ausgangspunkt eines jeden gemeinwirtschaftlichen Verkehrsantrags ist ab dem 1.1.2013 die Vorabbekanntmachung des Aufgabenträgers. Ohne Vorabbekanntmachung haben Aufgabenträger weder eine rechtlich gesicherte Möglichkeit, politisch gewollte Qualitätsstandards im ÖPNV zu verwirklichen, noch können sie die Vergabe an ein eigenes kommunales Unternehmen steuern und durchsetzen. Wo nämlich eine Vorabbekanntmachung fehlt, zählt für die Auswahl nur, wer die beste Verkehrsbedienung bietet (§ 13 Abs. 2b PBefG). Festlegungen im Nahverkehrsplan sind dann nur „zu berücksichtigen“ und können – müssen aber nicht – eine Zurückweisung rechtfertigen (§ 13 Abs. 2a Satz 1 PBefG). Nur die Vorabbekanntmachung gewährleistet schließlich, dass der politische gewünschte Verkehr qualitativ und quantitativ kaum noch durch eigenwirtschaftliche Verkehrsanträge unterlaufen werden kann.

Überdies ist noch nicht eindeutig abzusehen, welchen Stellenwert die künftig allein zuständigen Vergabegerichte der Vorabbekanntmachung zuerkennen werden. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Vorabbekanntmachung als eine zentrale Transparenzvoraussetzung qualifiziert wird. Wenn die gesetzlichen Anforderungen verletzt werden, müsste somit die gesamte Erteilung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags aufgehoben werden.

Auch Bestandsbetrauungen bewahren nicht vor der Pflicht zur Vorabbekanntmachung

Selbst Unternehmen, die bereits eine so genannte Bestandsbetrauung auf Basis der „Altmark Trans“-Kriterien (EuGH, Urteil v. 24.07.2003, Rs. C-280/00) oder sogar der VO Nr. 1370/2007 innehaben, können und sollen auf die Vorabbekanntmachung vor Erteilung der gemeinwirtschaftlichen Liniengenehmigungen nicht verzichten. Europarechtlich handelt es sich bei dieser Konstruktion ohnehin nur um einen Teilbestandteil eines „multipolaren“ öffentlichen Dienstleistungsauftrags, nämlich um eine Finanzierungskomponente ohne echte Betrauungsqualität. Die europarechtlich anerkannte Betrauung, die als Kernelement des öffentlichen Dienstleistungsauftrags gemeinwirtschaftliche Pflichten verbindlich festlegt, beruht hingegen nach der Entscheidungspraxis europäischer Institutionen allein auf den Liniengenehmigungen und zwar über deren Betriebs-, Beförderungs- und Tarifverpflichtung. Damit aktualisiert sich der öffentliche Dienstleistungsauftrag jedes Mal, wenn die Liniengenehmigung neu erteilt wird. Doch gerade die damit verbundene Marköffnung muss nach den EU-Vorgaben stets transparent und vorab bekannt gegeben werden.

Verschärft wird die Situation durch den erheblichen zeitlichen Vorlauf, den das Gesetz für eine Vorabbekanntmachung anordnet. Sie darf nicht früher als 27 Monate vor dem beabsichtigten Betriebsbeginn liegen (§ 8a Abs. 2 Satz 2 PBefG) und muss nach Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 spätestens 12 Monate vor Erteilung eines Direktauftrags an das eigene Verkehrsunternehmen im EU-Amtsblatt veröffentlicht sein. Das bedeutet, für die demnächst auslaufenden Liniengenehmigungen ist höchste Eile geboten.

Gleichzeitig beinhaltet die Vorabbekanntmachung aber auch neue Chancen für die kommunale Verkehrswirtschaft. Der Aufgabenträger steuert über die Vorabbekanntmachung nicht nur die Qualität, sondern eben auch die Quantität. Das bedeutet, er kann lukrative und weniger lukrative Verkehre bündeln und so die Möglichkeit des Rosinenpickens lukrativer Verkehre effektiv verhindern.

Das PBefG vollzieht einen Wandel vom Gewerbe- zum Vergaberecht

Verkehrsunternehmen, Aufgabenträger oder Genehmigungsbehörden müssen sich jetzt von der alten personenbeförderungsrechtlichen Genehmigungswelt verabschieden. Insbesondere auf die kommunale Verkehrswirtschaft kommen erhebliche rechtliche Veränderungen, aber auch Chancen zu. Niemand sollte jedoch darauf vertrauen, dass die bislang geübten Gesetzmäßigkeiten einfach weiter gelten.

Dafür werden nicht zuletzt die Vergabegerichte sorgen, die jetzt ausdrücklich für die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge zuständig sind. Die Erfahrung der vergangen zwei Jahre hat gezeigt, dass die Vergabegerichte im ÖPNV-Bereich konsequent ihre wettbewerbsrechtlichen Vorstellungen durchsetzen und auf das verwaltungsrechtlich geprägte Personenbeförderungsrecht alter Prägung wenig Rücksicht nehmen.

Insofern heißt es jetzt: Abschiednehmen von der alten Welt. Willkommen in der neuen Welt des PBefG!

Ansprechpartner: Dr. Christian Jung/Folkert Kiepe

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