„Bauchplatscher“ im Freibad: Einheimischenrabatt kann diskriminierend sein

(c) BBH
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Politisch gesehen ist es attraktiv, Bürger der eigenen Kommune billiger ins  kommunalen Freibad zu lassen als Ortsfremde. Rechtlich kann sich dies nunmehr als Hindernis herausstellen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Beschluss vom 19.7.2016 (Az. 2 BvR 470/08) festgestellt.

Der Beschwerdeführer, ein Österreicher, ging gerichtlich gegen den regulären Eintrittspreis eines kommunalen Freizeitbades in Bayern vor. Gesellschafter der Betreiber-GmbH des Freizeitbades waren ein Landkreis sowie fünf kreisangehörige Gemeinden. Der Eintritt in das Freizeitbad wurde Einwohnern der – kommunalen – Gesellschafter zu einem reduzierten Eintrittspreis angeboten, während alle anderen den vollen Preis zu zahlen hatten. Der Beschwerdeführer hielt dies für eine unzulässige Benachteiligung und forderte den Differenzbetrag zwischen Rabatt und regulärem Preis zurück. Außerdem wollte er gerichtlich feststellen lassen, dass die Betreiber-GmbH verpflichtet sei, dem Kläger zukünftig ebenfalls Eintritt zu ermäßigtem Entgelt zu gewähren. Das Amtsgericht Laufen (Az. 2 C 0116/06) und das Oberlandesgericht München (Az. 3 U 1990/07) wiesen die Klage ab. Hiergegen ging der Beschwerdeführer mit Verfassungsbeschwerde zum BVerfG vor.

Das Bundesverfassungsgericht stellte eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG des Beschwerdeführers fest.

Die unmittelbare Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand hänge weder von der jeweiligen Organisationsform noch von der Handlungsform ab. Dies gelte folglich auch dann, wenn Kommunen auf privatrechtlicher Organisationsformen zurückgreifen. Vor diesem Hintergrund war auch die (kommunale) Betreiber-GmbH des Freibads – unmittelbar – grundrechtsgebunden. Dies gilt auch für den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Dennoch ist es Kommunen nicht von vorneherein verwehrt, ihre Einwohner bevorzugt zu behandeln: Eine darin liegende Ungleichbehandlung muss, um den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG zu genügen, durch Sachgründe gerechtfertigt sein. Der Wohnsitz allein stellt keinen derartigen Sachgrund dar. Die bloße „Nichtzugehörigkeit“ zu einer Kommune berechtigt daher nicht, Auswärtige zu benachteiligen. Jedoch erkennt auch das BVerfG, dass es grundsätzlich möglich ist, eine Ungleichbehandlung an Sachgründe zu knüpfen, die mit dem Wohnort untrennbar zusammenhängen: So beispielsweise bei der Versorgung mit wohnortnahen Bildungsangeboten, der Verursachung eines höheren Aufwands für Auswärtige oder der Konzentration von Haushaltsmitteln auf die Aufgabenerfüllung gegenüber den Gemeindeeinwohnern. Verfolgt eine Gemeinde daher durch die Privilegierung Einheimischer das Ziel, knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastung zu gewähren oder Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen, kann dies mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein.

Das Vermarktungskonzept der Betreiber-GmbH war jedoch im konkreten Fall darauf angelegt, – auch – auswärtige Besucher anzuziehen. Damit war ein Sachgrund für eine Ungleichbehandlung nicht zu erkennen.

Auch auf Europäischer Ebene erkannte das BVerfG zudem eine Verletzung des Diskriminierungsverbots aus Art. 49 EGV (nunmehr Art. 56 AEUV). Damit einhergehend sah das BVerfG in dem Urteil des Oberlandesgerichts einen Verstoß gegen das Recht auf den „gesetzlichen Richter“ aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, da das Oberlandesgericht eine – europarechtlich – entscheidungserhebliche Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) als „gesetzlichem Richter“ nicht vorgelegt hatte.

Obwohl somit bestimmte Preisgestaltungsregelungen (Rabatte) auch zugunsten Gemeindeangehöriger nicht per se ausgeschlossen sind, sollten dennoch bestehende Preisgestaltungen überprüft werden, ob sie in Anbetracht dieser Rechtsprechung einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würden.

Ansprechpartner: Rudolf Böck/Meike Weichel

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