Lässt Europa die Wasserwirtschaft baden gehen?

(c) BBH
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Wenn die Europäische Union (EU) in punkto Wasser aktiv wird, dann werden Versorger und Bevölkerung (nicht nur) in Deutschland misstrauisch: Dahinter – so die sicher nicht ganz unberechtigte  Sorge – kann nur die Absicht stecken, ähnlich wie die Strom- und Gasversorgung auch die Wasserversorgung zwangszuliberalisieren und dadurch die bisherigen kommunalen Strukturen zu zerstören – mit der Folge schlechter Versorgungsqualität zu hohen Preisen.

In den Medien wird die Thematik meistens emotional sehr zugespitzt; die sachliche Information darüber, was auf europäischer Ebene tatsächlich geschieht, kommt dabei oft zu kurz. Deshalb sollen die wichtigsten Vorhaben hier kurz vorgestellt werden.

Privatisierungsdruck durch die Ausweitung des Vergaberechts

Die EU-Kommission hat vor einiger Zeit eine Richtlinie vorgeschlagen, mit der unter anderem auch Wasserkonzessionsverträge (sowie solche zu Strom, Gas und Abwasser)  entsprechend dem europäischen Vergaberecht reguliert werden sollen.

An dem Vorschlag wird vor allem kritisiert, dass er den Kommunen die Gestaltungsfreiheit bei der Organisation der Wasserversorgung nehme. Dass die Richtlinie, wenn sie in Kraft tritt, dieselbe einschränken würde, steht außer Zweifel. Zumal die Kommission keinen großen Eifer gezeigt hat, die Befürchtungen, dass die Richtlinie bloß einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer völligen Liberalisierung darstellt, zu zerstreuen. Nur den Vorwurf, dass die Richtlinie selbst zu einer Zwangsprivatisierung des Wassersektors führt, hat sie jüngst in einer Pressemitteilung zurückgewiesen.

Tatsächlich sind die unmittelbaren Folgen der geplanten Konzessionsvergaberichtlinie weniger einschneidend als häufig dargestellt. Denn schon bisher müssen die Kommunen nach allgemeinen europarechtlichen Prinzipien Wasserkonzessionsverträge grundsätzlich ausschreiben. Zudem unterfallen dem eigentlichen Vergaberecht schon jetzt Betreiber- und Betriebsführungsverträge im Bereich der Wasserversorgung, welche sich vom Konzessionsvertrag nur in einem Punkt unterscheiden: Der Betreiber oder Betriebsführer erhält von der betreffenden Gemeinde ein Entgelt für seine Leistungen, während der Konzessionär sich über Entgelte finanziert, welche er von den versorgten Kunden verlangt. Die Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht (insbesondere im Falle der so genannten In-House-Vergabe an ein gemeindeeigenes Stadtwerk) sind in beiden Fällen ähnlich und sollen in vergleichbarer Form auch Aufnahme in die neue Richtlinie finden. Die Wasserversorgung als Eigen- oder Regiebetrieb oder Anstalt des öffentlichen Rechts zu organisieren, soll ebenso möglich bleiben wie die kommunale Zusammenarbeit z. B. in Wasser- und Zweckverbänden.

Die Wasserwirtschaft fordert dabei völlig zu Recht, als Minimum all dies in der Richtlinie ausdrücklich festzuschreiben, und nach dem derzeitigen Stand soll dies offenbar auch erfüllt werden. Nicht durchsetzen konnte sie sich dagegen mit der noch darüber hinaus gehenden Forderung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ganz aus dem Anwendungsbereich der geplanten Richtlinie herauszunehmen.

Privatisierungsdruck gegenüber Portugal und Griechenland

Ein weiteres Thema, das in der öffentlichen Diskussion häufig mit dem vergaberechtlichen vermischt wird, ist die seitens der EU geforderte Privatisierung von Wasserversorgern u. a. in Portugal und Griechenland.

Rechtlich hat die EU momentan keine Handhabe, Mitgliedstaaten zu zwingen, in öffentlicher Hand befindliche Wasserversorgungsanlagen (bzw. genauer vom Staat gehaltene Anteile an Unternehmen, denen die Anlagen gehören) zu verkaufen. In einer kürzlich veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage des EU-Parlaments räumt die Kommission selbst ein, dass ihr die EU-Verträge hierfür keine Kompetenz verschaffen. Dies heißt natürlich nicht, dass politischer Druck nicht ebenso wirksam sein kann wie rechtlicher.

Dass ein solcher Zwang auch speziell auf Deutschland ausgeübt wird, ist eher nicht zu erwarten. Das Verlangen, die Wasserversorgung insbesondere in Griechenland und Portugal zu privatisieren, hängt mit der wirtschaftlichen Krisensituation in diesen EU-Ländern zusammen und hat den Zweck, durch die Verkaufserlöse Schulden abzubauen. So fragwürdig diese rein wirtschaftliche Betrachtung ist, könnte das Ziel in Deutschland – das zudem glücklicherweise derzeit nicht zu den Krisenstaaten zählt – jedenfalls gar nicht erreicht werden. Denn anders als die betroffenen Unternehmen in Portugal und Griechenland, die ganz oder teilweise dem Staat gehören, befinden sich deutsche Wasserversorger, sofern sie überhaupt die Form eines privaten Unternehmens haben, typischerweise in kommunaler Hand. Die Verkaufserlöse kämen also nicht der Staatskasse, sondern den Kommunen zugute und würden daher nicht zum Abbau von Staatsschulden der Bundesrepublik beitragen.

Vorschreiben wassersparender Duschköpfe

In der Bevölkerung ist nach wie vor weitgehend unbekannt, dass in den meisten Regionen Deutschlands Wassersparen nicht unbedingt sinnvoll erscheint. Daher ist es vor allem die Wasserwirtschaft, die sich gegen die Idee stemmt, flächendeckend wassersparenden Duschköpfe und sonstige Armaturen durchzusetzen.

Solche Bestrebungen tauchen auf der Agenda der EU mit gewisser Regelmäßigkeit auf – bisher für die deutschen Wasserversorger zum Glück ohne Konsequenzen. Der neueste Vorstoß findet sich in einem internen Arbeitspapier der EU-Kommission zur Ökodesign-Richtlinie. Diese schreibt vor, dass die Kommission regelmäßig Arbeitsprogramme zur Umsetzung der Richtlinie zu erstellen hat. Für das Arbeitsprogramm 2012-2014 wurden wasserbezogene Produkte wie Duschköpfe und Wasserhähne in die Liste der Produktgruppen aufgenommen, für die so genannte Ökodesign-Anforderungen, deren Einhaltung man an dem CE-Kennzeichen erkennt, in Betracht gezogen werden sollen. Dies könnten beispielsweise Anforderungen an die Bauweise von Armaturen sein, die den Wasser- und damit auch den Energieverbrauch beim Erwärmen des Wassers senken. Die gegenwärtige Produktliste geht jedoch gar nicht so weit, sondern sieht als mögliches Ziel der Überprüfung zunächst (nur) die Einführung einer Kennzeichnungspflicht (ein so genanntes Ökolabel nach der Kennzeichnungs-Richtlinie, ähnlich der Kennzeichnung des Energieverbrauchs von Elektrogeräten mit  A++, A+, A, B, C usw.) vor. Gerade weil aber Wasser- und Energiesparen für den Verbraucher überzeugende Argumente bei der Kaufentscheidung sind, kann eine solche Kennzeichnung ähnliche Auswirkungen haben wie das Vorschreiben einer wassersparenden Bauart.

Water Blueprint

Auch das im November letzten Jahres veröffentlichte Konzept zum Schutz der europäischen Wasserressourcen (bekannt als Water Blueprint), mit dem die EU-Kommission die Leitlinien ihrer Wasserpolitik für die nächsten Jahre und Jahrzehnte absteckt, erkennt grundsätzlich an, das Wasser nur in einigen Regionen Europas knapp ist und das Thema daher regional differenzierend betrachtet werden muss. Der Einsatz wassersparender Armaturen z. B. durch die genannten Ökolabel zu fördern, wird aber auch im Blueprint als Maßnahme vorgeschlagen.

Zur Frage der Privatisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung positioniert sich der Blueprint als primär umweltpolitisches Papier nicht. Auch Ansätze, Wasser- und Energiepolitik zu verknüpfen, nehmen im Blueprint wenig Raum ein, und das obwohl sich die Kommission ausdrücklich vorgenommen hat, die Wasserpolitik stärker mit anderen Politikbereichen und insbesondere dem der Erneuerbaren Energien zu vernetzen.

Fazit

Baden zu gehen muss die deutsche Wasserwirtschaft derzeit also nicht befürchten. Dennoch gilt es, die Entwicklungen auf europäischer Ebene weiterhin aufmerksam und kritisch zu verfolgen, um sicherzustellen, dass die Gestaltungsfreiheit der Kommunen  auch zukünftig erhalten bleibt.

Ansprechpartner: Daniel Schiebold/Jana Siebeck

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