Vor Gericht und auf hoher See…: von Löschwasser in NRW, von Fehlurteilen und von ihren Konsequenzen

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Grundstückseigentümer müssen aufgrund baurechtlicher Vorgaben oft Brandschutzanlagen vorhalten. Dann stellt sich die Frage, wo das (Lösch-)Wasser (wir berichteten) herkommt. Meist gibt es hierfür zwei Möglichkeiten: Entweder der Bauherr errichtet einen eigenen Tank. Oder das öffentliche Wasserversorgungsunternehmen stellt das im Brandfall benötigte Wasser über den Hausanschluss freiwillig – also als Sonderleistung über die eigentliche Wasserversorgung hinaus – gegen angemessenes Entgelt zur Verfügung.

In keinem anderen Bundesland ist diese Bereitstellung von Löschwasser (sog. Objektschutz) durch das jeweilige Wasserversorgungsunternehmen so umstritten, wie in NRW. Grund hierfür sind unter anderem zwei inhaltlich falsche Urteile, namentlich das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln v. 7.5.2008 (Az. 17 U 47/07) sowie das Urteil der Vorinstanz des Landgerichts (LG) Bonn v. 29.6.2007 (Az. 4 O 7/07).

Warum falsch?

  • Die Gerichte führen aus, das Landesrecht habe sich seit der hierfür maßgeblichen BGH-Rechtsprechung aus den 1980ern zur ausreichenden Löschwasserversorgung“ nicht wesentlich geändert. Das stimmt aber nicht. 1989 wurde anlässlich eben dieser Rechtsprechung der Wortlaut geändert in die „den örtlichen Verhältnissen angemessene Löschwasserversorgung“. Ziel dieser Gesetzesänderung war ausweislich der Landtags-Drucksache, der durch die BGH-Rechtsprechung eingetretene Verschärfung der Verpflichtungen der Kommunen entgegenzutreten und für Rechtsklarheit zu sorgen. Beide Gerichte wenden gleichwohl stets das weite Begriffsverständnis des BGH aus der Zeit vor Änderung des FSHG an.
  • Unter Verweis auf diese zu dem Zeitpunkt bereits veraltete Rechtsprechung sind die Gerichte nicht bereit, den Grundstückseigentümer für eine „besondere Löschwasserversorgung“ in die Pflicht zu nehmen. Denn, so die Gerichte, das Netz des Wasserversorgungsunternehmen könne schließlich die benötige Leistung erbringen. Ein Zusatzaufwand dafür, dass diese Leistung erbracht werden kann, sei nicht erkennbar. Hier hatte das Wasserversorgungsunternehmen wohl gewissenhaft und vorausschauend geplant. Darf das die rechtliche Beurteilung beeinflussen?
  • Als Indiz dafür, dass kein Entgeltanspruch für das Wasserversorgungsunternehmen besteht, weisen die Gerichte darauf hin, dass das Wasserversorgungsunternehmen zwischen 1989 und 2005 derartige Ansprüche auch nicht geltend gemacht habe. Dies stellt aus rechtlicher Sicht aber weder zwingend eine Vertragsänderung noch einen Verzicht dar. Lediglich die Durchsetzung hätte in Frage gestellt werden können (Verjährung, Verwirkung). Löschwasser bereitzustellen kostet die Wasserversorgungsunternehmen Geld und birgt obendrein erhebliche Haftungsrisiken. Da die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) nicht gilt, ist stets zu klären, wie zum Beispiel bei sonst zulässigen Versorgungsunterbrechungen für Reparaturen zu verfahren ist. Was ist aber mit den Fällen, die seit langem bestehen? Meist verlässt sich der Kunde seit Jahren darauf, dass sein Löschwasser aus der Leitung kommt. Die bestehenden Brandschutzanlagen umzubauen, ist oft kostenintensiv. Hier kann jedem Unternehmen nur eines empfohlen werden: Handeln.
  • Für die Wasserversorgung in NRW ist es an der Zeit, sich zu wehren und das Thema aktiv anzugehen! Dies kann durch Abschluss von Individualverträgen geschehen. Oder durch Umgestaltung des Preismodells. Oder durch genaues Hinsehen in technischer Hinsicht – viele Brandschutzanlagen der betroffenen Kunden sind nicht entsprechend den technischen Vorgaben abgesichert oder betrieben; das muss kein Wasserversorgungsunternehmen dulden. Auf jeden Fall sollte auf eine unterstützende und offene Kommunikation gesetzt werden. Der Kunde wird etwas, was ihn Geld kostet, nur dann gut finden, wenn er es versteht.
  • Wenn Kunden anfragen, ob Löschwasser über den Hausanschluss bereitgestellt wird, machen diese Schwierigkeiten die Antwort für die Wasserversorgungsunternehmen hoffentlich einfacher: NEIN – oder wenn ausnahmsweise ja, dann nur gegen angemessen hohes Entgelt.
  • Die Konsequenz aus diesen falschen, aber rechtskräftigen Urteilen ist, dass allen Wasserversorgungsunternehmen in NRW, die Löschwasser für Kunden zum Betrieb privater Brandschutzanlagen zur Verfügung stellen, Steine in den Weg gelegt werden. Das wiederum ist bei einem so essentiell bedeutsamen Thema wie dem Brandschutz hoch problematisch.

Ansprechpartner: Daniel Schiebold/Beate Kramer

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