Zwei Seelen schlagen ach in meiner Brust…

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So faustisch scheinen manche Landesministerien zu empfinden, die zugleich Landesregulierungs- und Landeskartellbehörde sind. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man den Beschluss des OLG Stuttgart (vom 25. August 2011, Az. 201 Kart 2/11) in Sachen Energie Calw GmbH liest. Das Gericht erteilt dem Ansatz, die kartellrechtliche Wasserpreiskontrolle unter Rückgriff auf regulierungsrechtliche Maßstäbe durchzuführen, eine deutliche Absage. Im Einzelnen:

Die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg hatte der Energie Calw GmbH aufgegeben, ihre Preise um gut 30 Prozent zu senken. Die Behörde hatte ihre Verfügung dabei auf die Vorschriften der allgemeinen kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht (§§ 19, 32 ff. GWB) gestützt. Im Kartellrecht besteht daneben auch noch die verschärfte Missbrauchsaufsicht für den Wasserbereich (§ 103 GWB 1990). Zu den Grenzen der verschärften Missbrauchsaufsicht hatte sich der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr in einem Grundsatzurteil geäußert (unser Blog vom 1. Februar 2011). „Verschärft“ heißt sie deshalb, weil sie den Wasserversorgungsunternehmen eine erhebliche Rechtfertigungslast auferlegt und den Kartellbehörden den Nachweis, dass Preise vermeintlich überhöht sind, sehr vereinfacht.

Im Rahmen der allgemeinen Missbrauchsaufsicht sind dagegen die Nachweispflichten auf Seiten der Kartellbehörde sehr hoch, bevor sie einen Preis als missbräuchlich überhöht einstufen darf. Gelingt ihr dies, so hat das Wasserversorgungsunternehmen stets die Möglichkeit der Rechtfertigung. Im Rahmen der allgemeinen Missbrauchsaufsicht kann die Kartellbehörde dann auch weiterreichendere Sanktionen erlassen, als dies bei der verschärften Missbrauchsaufsicht möglich ist. So hat die Behörde in dem vorliegenden Verfahren auf Grundlage der §§ 19, 32 GWB u. a. eine Preisbegrenzung für die Vergangenheit und eine Rückzahlungsverpflichtung in Höhe der Differenz der damit vermeintlich überhöhten Preise angeordnet. Dies wäre im Rahmen der verschärften Missbrauchsaufsicht keine zulässige Sanktion.

Sind schon die Grundsätze der Strom- und Gasnetzentgeltregulierung sehr umstritten, dann erst recht die Grundsätze der kartellrechtlichen Entgelt- und Kostenkontrolle: Hier gilt, wie das OLG Stuttgart richtig festhält, dass „die Grundsätze der Kostenrechnung weder rechtlich noch nach dem Stand der Betriebswirtschaftslehre in irgendeiner Weise fest geregelt sind und sie den Unternehmen daher weitreichende Gestaltungsspielräume öffnen.“ Übergreifender Bewertungsmaßstab für einen kartellrechtlich bedenklichen Preis ist der hypothetische Wettbewerbspreis. Jede Hypothese beruht auf Annahmen, die im Vergleich zu den tatsächlich vorgefundenen Umständen (hier die Kosten der Wasserversorgung) gesetzt werden. Mit anderen Worten, auch ein hypothetischer Wettbewerbspreis bedarf der Rückbindung an die Wirklichkeit. Den von der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg eingeschlagenen Weg hat das OLG Stuttgart insofern verworfen. Man könne nicht analog zu den Vorgaben aus der Strom- bzw. GasNEV eine eigene Kalkulation anstelle der Kalkulation des Wasserversorgers setzen. Solange der Gesetzgeber keine Regulierung des Wasserbereichs anstößt, gelten die kartellrechtlichen Anforderungen nach §§ 19, 20 GWB und § 103 GWB 1990 unverändert, ohne dass insofern eine planwidrige Regelungslücke bestünde. Die am 1. August 2011 durch das Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) veröffentlichten Eckpunkte zur 8. GWB-Novelle sehen auch in Zukunft keine Änderungen in dieser Hinsicht vor.

Für Wasserversorgungsunternehmen wichtig sind die grundsätzlichen Ausführungen des Gerichts, wie die Beweislast im Rahmen der allgemeinen Missbrauchsaufsicht verteilt ist. Diese liegt grundsätzlich bei der Kartellbehörde. Wendet die Behörde, wie hier, den Prüfungsmaßstab der Kostenkontrolle an, muss sie nach Ansicht des OLG Stuttgart diese Beweislastverteilung stets im Blick haben. Nicht erlaubt sei, das betroffene Unternehmen zu verpflichten, „gleichsam, einen Antrag nach § 23 a EnWG a. F. zu stellen und unter Verkehrung der die Behörde treffenden Feststellungslast den Wasserversorger quasi zum Antragsteller und damit auch zum Verpflichteten zu machen, die eigenen Kalkulationsunterlagen lückenlos einzureichen und seine Kalkulation zu rechtfertigen“.

Was folgt aus dem Beschluss? Zumindest in Baden-Württemberg sind die Befugnisse von Landesregulierungsbehörde und Landeskartellbehörde streng zu unterscheiden. Die kartellrechtliche Kostenkontrolle vollzieht sich nach anderen Maßstäben als die regulierungsrechtliche Entgeltaufsicht. Beispielsweise gibt es im Kartellrecht keinen vergleichbaren Effizienzbegriff, wie er der Anreizregulierung zu Grunde liegt. Auch sonstige Kalkulations- und Kostenvorgaben fehlen im GWB. Ihren Missbrauchsverdacht muss die Kartellbehörde daher grundsätzlich im Wege des Vergleichs mit anderen Unternehmen erhärten. Wie ein tauglicher, ausreichend belastbarer Vergleich von Wasserversorgungsunternehmen im Rahmen der allgemeinen Missbrauchsaufsicht des § 19 GWB aussehen kann, haben weder der BGH (in der Wetzlar-Entscheidung ging es um die Auswahl gleichartiger Unternehmen im Sinne der verschärften Missbrauchsaufsicht, § 103 GWB 1990) noch jetzt das OLG Stuttgart geklärt. Insofern wird weiter im Trüben gefischt, wobei der BGH in Sachen Energieversorgung Calw das letzte Wort haben wird.

Ansprechpartner: Daniel Schiebold

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