Die 9. GWB-Novelle ist nun in trockenen Tüchern

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Am 9.3.2017 hat der Bundestag das Neunte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verabschiedet (Plenarprotokoll 18/221). Der Bundesrat wird voraussichtlich am 31.3.2017 zustimmen. Die Novelle wird mithin wohl noch im April in Kraft treten. Und dafür ist es höchste Zeit, denn die EU-Richtlinie 2014/104/EU zum Kartellschadensersatz (wir berichteten) war bereits bis zum 27.12.2016 ins nationale Recht umzusetzen. Berücksichtigt man jedoch, dass 16 der (noch) 28 Mitgliedstaaten diesbezüglich noch gar nicht tätig geworden sind, erscheint diese Verzögerung noch verzeihbar.

Über die wesentlichen Punkte der Novelle hatten wir bereits berichtet. Zuletzt wurde noch darüber diskutiert, ob das Bundeskartellamt (BKartA) als Wettbewerbswächter auch die Funktion einer echten Verbraucherschutzbehörde übernehmen soll. Dieser Vorschlag hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Das BKartA wird nun zukünftig zwar Sektoruntersuchungen durchführen können, wenn es Verbraucherinteressen beeinträchtigt sieht und in Zivilprozessen in Verbraucherschutzangelegenheiten Stellung nehmen können. Kartellbehördliche Eingriffsmöglichkeiten sind jedoch nicht vorgesehen.

Neu ist in der am 9.3.2017 beschlossenen Gesetzesfassung, dass nun auch Zusammenschlüsse zwischen Dienstleistungsunternehmen verschiedener kreditwirtschaftlicher Verbundgruppen von der Fusionskontrolle ausgenommen sind. Die Ausnahme wird mit der Niedrigzinsphase und der dadurch schlechten Ertragslage im traditionellen Kreditgeschäft begründet. Sie soll ermöglichen, Geschäftsmodelle zu verändern und anzupassen und durch Ausnutzung von Kosteneffizienz und Synergien die Ertragskraft des Sektors zu verbessern.

Nicht mehrheitsfähig war schließlich der aus den Erfahrungen im Verfahren um den Zusammenschluss von Kaiser’s Tengelmann und Edeka (wir berichteten) geborene Vorschlag, die bisherige Ministererlaubnis durch eine Parlamentserlaubnis zu ersetzen. Stattdessen wurden Regelungen eingeführt, die insbesondere die Rolle der Monopolkommission im Verfahren stärken sollen. So wird die Monopolkommission nun das Recht haben, im Verfahren der Ministererlaubnis in der öffentlichen mündlichen Verhandlung gehört zu werden und ihre Stellungnahme zu erläutern. Weicht die Entscheidung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Wirtschaft und Energie von dem Votum der Monopolkommission ab, so ist dies in der Verfügung nun gesondert zu begründen. Um der wirtschaftspolitischen Bedeutung der Ministererlaubnis und ihrem Ausnahmecharakter Rechnung zu tragen und die Transparenz des Verfahrens zu verbessern, muss nun das Bundeswirtschaftsministerium dem Bundestag unverzüglich schriftlich die Gründe mitteilen, wenn es die Viermonatsfrist für die Ministererlaubnis überschreitet. Zur Optimierung des Verfahrens wird schließlich eine Höchstfrist von sechs Monaten eingeführt, wobei nach Ablauf der Frist ohne Entscheidung die Ministererlaubnis als abgelehnt gilt, es sei denn das Unternehmen beantragt eine Fristverlängerung.

Wichtig ist auch, dass das Gesetz jetzt klarstellt, wann die neuen Verjährungsvorschriften im Bereich des Kartellschadensersatzes anwendbar sind – nämlich auch auf Ansprüche, die vor dem 27.12.2016 entstanden sind und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 9. GWB-Novelle noch nicht verjährt waren. Der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung dieser Ansprüche bestimmen sich jedoch für die Zeit bis zum Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle nach den bisher jeweils geltenden Verjährungsvorschriften. Diese Übergangsregelung ist sehr zu begrüßen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, hat der Gesetzgeber aus seinen Fehlern im Rahmen der 7. GWB-Novelle gelernt. Rechtstreitigkeiten darüber, ob die neuen Verjährungsregeln, insbesondere der neue Verjährungshemmungstatbestand einer Auskunftsklage, auch auf Ansprüche Anwendung finden, die vor dem Inkrafttreten der nunmehr 9. GWB-Novelle entstanden sind, soll es diesmal nicht geben. Dass die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 18.2.2015, Az. VI-U (Kart) 3/14, Urt. v. 29.1.2014, Az. VI-U (Kart) 7/13) verweist, wonach § 33 Abs. 5 GWB auch für Ansprüche gilt, die vor der 7. GWB-Novelle entstanden sind, lässt übrigens berechtigte Hoffnungen entstehen, dass der Bundesgerichtshof (BGH), der hierüber gegenwärtig zu entscheidet hat, diese Rechtsprechung bestätigen wird. Damit und mit der neuen Übergangsregelung wäre das leidige Thema der Anwendbarkeit von kartellrechtlichen Verjährungshemmungstatbeständen auf Altfälle endlich vom Tisch.

Zweifelhaft erscheint hingegen eine europarechtliche Frage: Ist die Übergangsvorschrift zu der Anwendbarkeit der neuen § 33a bis f GWB, wonach diese Vorschriften, mit Ausnahme des neuen § 33c Abs. 5 GWB, nur auf Schadensersatzansprüche anwendbar sind, die nach dem 26.12.2016 entstanden sind, mit Art. 22 RL 2014/104/EU vereinbar? Nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers sollen nur solche Regelungen der ins nationale Recht umzusetzenden Schadensersatzrichtlinie nicht rückwirkend gelten, die materiell-rechtlicher Natur sind. Insbesondere bei den neuen gesetzlichen Vermutungsregelungen bezüglich der schädigenden Wirkung von Kartellen (§ 33a Abs. 2 GWB) und der Weiterwälzung des Preisaufschlags auf mittelbare Abnehmer (§ 33 c Abs. 2 GWB) könnte es sich aber um verfahrens- und nicht materiell-rechtliche Regelungen handeln, weil sie der Beweislastverteilung dienen und damit eher das Prozessrecht betreffen. Ein bisschen freuen können sich Kartellgeschädigte aber dennoch: den neuen materiell-rechtlichen Auskunfts- und Herausgabeanspruch hat der Gesetzgeber nicht davon abhängig gemacht, wann der Schadensersatzanspruch entstanden ist. Der Anspruch steht damit bald allen Geschädigten zu und wird ihre Stellung gegenüber Kartellbeteiligten, wie schon § 125 Abs. 1 Nr. 2 GWB im Bereich öffentlicher Ausschreibungen, erheblich stärken.

Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Dr. Christian Jung/Dr. Holger Hoch/Anna Lesinska-Adamson

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