Drücker am Hörer: Wettbewerbsrecht und Telefonanrufe

(c) BBH
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Die meisten Menschen nervt es, in den meisten Fällen ist es verboten, und in manchen Fällen wird es zur ernsthaften Belästigung. Dennoch ist und bleibt das Thema aktuell. Denn Telefonwerbung ist zweifellos ein kostengünstiges und oft überaus wirksames Marketinginstrument.

Die Rechtslage ist diese: Ein Unternehmen darf Verbraucher nur dann zu Werbezwecken anrufen, wenn der Kunde in derartige Anrufe vorher und ausdrücklich eingewilligt hat, und diese Einwilligung muss im Zweifelsfall das anrufende Unternehmen auch beweisen können. Sonst handelt es sich um eine unzumutbare Belästigung, die gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Dies hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG geregelt. Gleichwohl werden auch Verbraucher, die nicht in den Erhalt von Werbeanrufen eingewilligt haben, nach wie vor in ganz Deutschland auf diese Weise belästigt.

Anforderungen an die Einwilligung

Die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung sind hier wegen der Missbrauchsgefahr besonders hoch. Das anrufende Unternehmen hat nachzuweisen, dass der betroffene Verbraucher in Werbeanrufe genau dieses Unternehmens für ein bestimmtes Produkt eingewilligt hat. Eine „Generaleinwilligung“ wäre unwirksam. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei grundlegenden Entscheidungen festgelegt (Urt. v. 25.10.2012, Az. I ZR 169/10 sowie Urt. v. 27.1.2000, Az. I ZR 241/97). Die früher gängige Praxis, im Zusammenhang mit Gewinnspielen Einwilligungen für eine schier unübersehbare Vielfalt an beworbenen Produkten einzuholen, gehört damit schon seit längerem der Vergangenheit an.

Wettbewerbswidrige Inhalte

Der bloße Telefonanruf ist für Verbraucher und Mitwettbewerber schon belastend genug, aber oft kommt noch das Verkaufsgeschick der bisweilen übermotivierten Kundenwerber noch erschwerend dazu. Denn in vielen Fällen nutzen Kundenwerber, die sich über die fehlende Einwilligung des Kunden hinwegsetzen, auch weitere Tricks, um Energielieferverträge zu vermarkten. Oft wird versucht, den Kunden durch unwahre Behauptungen über das angebliche Angebot des werbenden Unternehmens oder eine fehlerhafte Darstellung des Mitbewerbers unlauter in die Irre zu führen.

So wird zum Beispiel Kunden von Energieversorgungsunternehmen häufig vorgespiegelt, der Anrufer sei Mitarbeiter des bisherigen Vertragspartners oder rufe in dessen Auftrag an. Gerne spiegelt der Anrufer auch vor, es bestehe ein Kooperationsvertrag der beiden Energielieferanten. In der Folge nimmt der Angerufene an, er stimme am Telefon lediglich einem Tarifwechsel zu und staunt dann in der Regel nicht schlecht, wenn er plötzlich eine Auftragsbestätigung eines anderen Unternehmens erhält. Darüber hinaus gerieren sich auch manche Unternehmen als Grundversorger in einem Gebiet, in dem sie dies tatsächlich gar nicht sind.

Unterlassungsansprüche der Mitbewerber

Unlautere Telefonwerbung ist aber nicht nur für die betroffenen Verbraucher ärgerlich, sondern auch für redliche Energieversorger, die Kunden an Wettbewerber verlieren, die sich einen erheblichen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Unternehmen, die sich nicht an das gesetzliche Verbot unlauterer Telefonwerbung halten oder durch falsche Angaben Kunden in die Irre führen, können auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die anwaltliche Erfahrung zeigt, dass es sich lohnt, entschlossen und konsequent gegen unlautere Telefonwerbung vorzugehen. Es ist daher ratsam, die Marketingaktivitäten der Wettbewerber immer im Auge zu behalten und Berichte von Kunden sorgfältig zu dokumentieren.

Wenn bekannt ist, welcher Wettbewerber hinter der unlauteren Werbung steckt, gilt es den unliebsamen Konkurrenten möglichst schnell das Handwerk zu legen. Am schnellsten und effektivsten lässt sich dies durch eine Abmahnung und erforderlichenfalls durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erreichen. Denn im einstweiligen Verfügungsverfahren kann ein Gericht die unlautere Telefonwerbung auch ohne mündliche Verhandlung verbieten. Auch insofern ist Eile geboten. Denn viele Gerichte verlangen zur Wahrung der sog. Dringlichkeitsfrist, dass der Verfügungsantrag binnen eines Monats ab Kenntnis des Antragstellers von der Wettbewerbsrechtsverletzung und dem dahinter steckenden Unternehmen gestellt wird. Ist eine einstweilige Verfügung erlassen, kann diese durch Abgabe einer sog. Abschlusserklärung als endgültige Regelung anerkannt werden. Geschieht dies nicht, hilft nur die Klage.

Verstößt der Wettbewerber gegen das gerichtliche Verbot, kann das zuständige Gericht auf einen entsprechenden Antrag hin ein Ordnungsgeld festsetzen. Dabei gilt: je hartnäckiger der Verstoß und je mehr Verstöße festgestellt wurden, desto höher das Ordnungsgeld. Spätestens wenn die Höhe des Ordnungsgeldes den erhofften Gewinn der unlauteren Werbemaßnahme übersteigt, wird ein wirtschaftlich vernünftiger Wettbewerber die wettbewerbswidrigen Maßnahmen einstellen. Die Rechtsanwaltskosten, die durch eine berechtigte Abmahnung nach der gesetzlichen Vergütungsregelung entstanden sind, hat der unlauter Werbende dem Abmahnenden im Übrigen zu erstatten. Wird ihm das wettbewerbswidrige Verhalten gerichtlich verboten, hat er darüber hinaus auch die Verfahrenskosten zu tragen.

§ 20 UWG: Bußgelder der Bundesnetzagentur

Das geht meist schnell und kostet nicht viel. Dennoch beklagen nicht wenige Unternehmen, dass der Staat nicht seinerseits wirksamer gegen wettbewerbswidrige Werbung vorgeht. Tatsächlich drohen denjenigen, die unwahre Behauptungen aufstellen, um Vertragsabschlüsse zu fördern, in Extremfällen Strafanzeigen wegen Betrug. Es sind auch Einzelfälle bekannt, in denen besonders dreiste Telefonwerber zu Beleidigungen und übler Nachrede gegriffen haben. Unterhalb dieser Schwelle bietet die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Möglichkeit, sich über unerlaubte, weil meist einwilligungslose Telefonwerbung zu beschweren. Die Bußgelder nach § 20 UWG können theoretisch bis zu 300.000 Euro betragen. In der Praxis zeigen sich viele Unternehmen aber enttäuscht vom Verfolgungseifer der Behörde, zumal die Ergenisse insoweit – anders als ein gerichtlicher Beschluss im Eilverfahren – nicht nach wenigen Tagen auf dem Tisch liegen und die Kampagne dann oft bereits erfolgreich abgeschlossen ist.

Der Gang an die Öffentlichkeit

Manche Unternehmen berichten von guten Erfahrungen mit offensiver Öffentlichkeitsarbeit. Pressemitteilungen und Informationen auf der Homepage oder in sozialen Medien sensibilisieren die Verbraucher vor Ort. Wer weiß, dass der eigene Versorger nicht mit Drittanbietern kooperiert und auch nicht einwilligungslos anrufen lässt, legt im Zweifelsfall schnell auf. Hilfreich ist auch oft die Information, dass Verbraucher telefonisch oder im Netz abgeschlossene Verträge innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist ohne Angabe von Gründen widerrufen können.

Doch auch Pressearbeit hat ihre Fallstricke. Nicht selten beobachtet die Konkurrenz jeden Schritt des örtlichen Versorgers und mahnt ihrerseits ab, wenn dieser rechtliche Fehler bei der Ausgestaltung von Presseberichten macht. Auch hier ist Obacht geboten.

Ansprechpartner: Nils Langeloh/Stefan Wollschläger

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