Kabinett beschließt die 9. GWB-Novelle

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Das Bundeskabinett hat gestern die 9. GWB-Novelle (wir berichteten dreiteiligen Serie) auf den Weg gebracht und einen entsprechenden Gesetzesentwurf (RegE) beschlossen. Damit sind die Weichen für eine Fortentwicklung des deutschen Kartellrechts vor dem Hintergrund rechtlicher und technischer Entwicklungen aus der jüngeren Vergangenheit gestellt. Die wesentlichen Änderungen betreffen folgende Punkte:

Die Wirtschaft wird zunehmend digital: Vor diesem Hintergrund verfolgt die GWB-Novelle das Ziel, Innovationswettbewerb zu fördern, dabei aber gleichzeitig faire Wettbewerbsbedingungen abzusichern. Um Missbrauchsaufsicht über Märkte zu ermöglichen, auf denen zwischen den Marktteilnehmern kein Geld fließt, wird klargestellt, dass der Annahme eines Marktes nicht entgegensteht, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird. Bei der Beurteilung der Marktbeherrschung sind darüber hinaus künftig Phänomene wie Netzwerk- und Skaleneffekte, aber auch der Zugang zu und die Nutzung von wettbewerbserheblichen Daten, die durch die fortwährende Digitalisierung in den vergangenen Jahren aufgekommen sind, zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 3a RegE).

Die Zusammenschlusskontrolle wird sich zudem künftig auch auf Übernahmen von Unternehmen erstrecken, deren Kaufpreis bei über 400 Mio. Euro liegt (§ 35 Abs. 1a RegE). Bisher sind die Umsatzerlöse das alleinige Kriterium. Das wird der digitalen Wirtschaft nicht gerecht, da die Umsätze von Unternehmen der digitalen Branchen – vor allem in der Startphase – die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Unternehmenskäufen nicht angemessen widerspiegeln.

Darüber hinaus nimmt die 9. GWB-Novelle verlagswirtschaftliche Kooperationen von Presseverlagen vom Kartellverbot des § 1 GWB aus, um ihre wirtschaftliche Basis für den intermedialen Wettbewerb zu stärken (§ 30 Abs. 2b RegE).

Im Übrigen soll die Novelle eine Rechtslücke bei der Verantwortlichkeit von Muttergesellschaften und Rechtsnachfolgern für Kartellverstöße von Tochtergesellschaften bzw. von erworbenen Unternehmen schließen (die sog. „Wurstlücke“). Dazu werden die Sanktionsmöglichkeiten in § 81a RegE ausgeweitet. Dies verhindert, dass Unternehmen – wie in der Vergangenheit bisweilen praktiziert – Geldbußen dadurch umgehen können, dass sie sich nachträglich umstrukturieren oder Vermögenswerte verschieben.

Zu guter Letzt setzt die GWB-Novelle die EU-Richtlinie 2014/104/EU zum Kartellschadensersatz um (wir berichteten). Ein zentraler Punkt ist die Aufnahme einer widerleglichen Vermutung für das Entstehen von Schäden aus Kartellverstößen (§ 33a RegE). Darüber hinaus enthält der Regierungsentwurf auch Regelungen zur Schadensabwälzung, das heißt die diesbezügliche widerlegliche Vermutung zugunsten mittelbarer Abnehmer und den bereits im deutschen Recht  anerkannten Passing-on-Einwand der Kartellanten (§ 33c RegE). Im Rahmen der Regelung zur gesamtschuldnerischen Haftung der Kartellanten erfolgt eine diesbezügliche Privilegierung von Kronzeugen (§ 33d und§ 33e RegE).  Kodifiziert werden materiell-rechtliche Herausgabe- und Auskunftsansprüche. Gleichzeitig wird jedoch ein vollständiger Schutz von Kronzeugenunterlagen und Vergleichsausführungen und über die Richtlinie hinausgehend auch der Vernehmungsprotokolle festgeschrieben (§ 33g RegE). Die Verjährungsfrist wird verlängert und ihr Beginn hinausgeschoben (nicht vor Ende des Kartellverstoßes) (§ 33h RegE). Das Kostenrisikos der Nebenintervention wird begrenzt (§ 89a Abs. 3 RegE) und damit ein Kostentreiber verhindert, der auf die Kläger bislang sehr abschreckend wirkte. Und schließlich wird auch die Veröffentlichung von Pressemitteilungen und Bußgeldentscheidungen des Bundeskartellamtes (BKartA) auf eine gesetzliche Grundlage gestellt (§ 53 Abs. 4 und 5 RegE). Versäumt hat es der Gesetzgeber, den europäischen Unternehmensbegriff ausdrücklich ins deutsche Kartellschadensersatzrecht aufzunehmen. Vor dem Hintergrund der Einführung einer bußgeldrechtlichen Konzernhaftung erscheint es jedoch einzig folgerichtig, auch im Bereich des Kartellschadensersatzes von der Konzernhaftung auszugehen. Dies gebieten auch das europäische Primär- (Effektivitätsgebot) und Sekundärrecht (Art. 1 Abs. 1 RL 2014/104/EU).

Da die RL 2014/104/EU bis zum 27.12.2016 in deutsches Recht umzusetzen ist, ist mit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle noch vor Ende dieses Jahres zu rechnen. Wir werden Sie über das weitere Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden halten und im neuen Jahr auch Seminare zu den gesetzlichen Neuerungen anbieten.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Olaf Däuper/Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch/Anna Lesinska-Adamson

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