Öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission im Bereich Kartellschadensersatz

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Nationale Gerichte sollen bei der Ermittlung, in welchem Umfang durch Kartelle verursachte Preiserhöhungen an mittelbare Abnehmer und Endverbraucher abgewälzt wurden, Leitlinien an die Hand bekommen. Zu dem Entwurf dazu bittet die Europäische Kommission derzeit bis Anfang Oktober um Stellungnahmen. Es geht Brüssel darum, die nationale Entscheidungspraxis zu harmonisieren.

Worum geht es inhaltlich?

Nach der europäischen Richtlinie 2014/104/EU über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen können Geschädigte leichter Schadensersatzansprüche gegen Kartellsünder geltend machen. Unternehmen bzw. Endkunden können ebenso wie unmittelbare Abnehmer Geschädigte eines Kartellverstoßes sein. Denn oftmals wird der kartellbedingte Preisaufschlag ganz oder zum Teil auf die nachgelagerten Vertriebsstufen abgewälzt (sog. passing-on; wir berichteten). Im Rahmen einer Kartellschadensersatzklage hat dieser Vorgang eine doppelte Bedeutung: er ist zum einen das „Schwert“ des mittelbaren Abnehmers, der seinen Anspruch hierauf stützt, und zum anderen das „Schild“ des Beklagten, der hiermit Schadensersatzansprüche des unmittelbaren Abnehmers abwehrt. Eine Frage bereitet den jeweiligen Prozessbeteiligten inklusive des mit der Klage befassten Gerichts allerdings Schwierigkeiten: die Bemessung des konkret weitergewälzten Preisaufschlags.

Die Europäische Kommission sieht in ihrem Leitlinienentwurf vor, dass ein Teil des auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzten Preisaufschlags geschätzt werden soll. Dieser Vorschlag reiht sich ein in eine Reihe von Bestrebungen der Europäischen Kommission, die private Kartellrechtsdurchsetzung innerhalb der EU zu harmonisieren und zu stärken (wir berichteten). Im November 2014 erleichterte die Kommission durch den Erlass der Kartellschadensersatzrichtlinie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund eines Verstoßes gegen EU-Kartellvorschriften. Bereits im Jahre 2013 adressierte sie eines der hiermit einhergehenden Probleme der Ermittlung des Schadensumfangs bei Verstößen gegen Art. 101 oder 102 AEUV mit einer diesbezüglichen Mitteilung sowie dem ihr beigefügten Praktischen Leitfaden. Ergänzt wird der Leitfaden nun um die jetzt entworfenen Leitlinien, deren Erlass bereits in Art. 16 der Schadensersatzrichtlinie angekündigt war.

Mit Erlass der Leitlinien soll den nationalen Gerichten und anderen Interessenträgern auch eine rechtliche und wirtschaftliche Orientierungshilfe an die Hand geben, wie die Abwälzung von Preisaufschlägen zu schätzen und die diesbezüglichen Offenlegungsanträge zu handhaben sind. Zwar werden die Leitlinien ebenso wie der Leitfaden unverbindlich sein. Sie dürften aber zu einer konsistenteren Praxis der nationalen Gerichte führen. Bis zum 4.10.2018 haben alle Interessierten, darunter auch Unternehmen, die Möglichkeit, zu dem Leitlinienentwurf Stellung zu nehmen. Dies kann nicht nur für diejenigen Unternehmen von Interesse sein, die Teil einer Lieferkette sind, sondern auch für solche, deren Preiskalkulation gegenüber ihren Kunden wesentlich auf selbst eingekauften Produkten bzw. Dienstleistungen beruht. Angesichts der Vielzahl jedes Jahr aufgedeckter Kartelle ist jedenfalls eine potentielle Kartellbetroffenheit in keinem Bereich mehr auszuschließen.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Dr. Holger Hoch/Anna Lesinska-Adamson

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