Neuer Leitfaden des Bundeskartellamtes – Zusagen in der Fusionskontrolle

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Gut Ding will Weile haben: Schon im Oktober 2016 hatte das Bundeskartellamt (BKartA) den Entwurf eines Leitfadens mit dem Titel „Zusagen in der Fusionskontrolle“ veröffentlicht und um Stellungnahmen gebeten. Dafür ließ sie den Adressaten nur einen Monat Frist, ließ sich selbst dafür aber anschließend um so mehr Zeit mit der Auswertung der Stellungnahmen. Jetzt hat die Behörde, auch nach Einbeziehung der deutschen und europäischen Entscheidungspraxis und internationalen Foren (ICN und OECD), den endgültigen Leitfaden veröffentlicht. Dieser ergänzt den vom BKartA bereits vor fünf Jahren veröffentlichten Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle und gibt für die Praxis (vor allem für die beteiligten Unternehmen und deren Wettbewerber) eine wichtige zusätzliche Orientierung.

Worum geht es?

Unternehmenszusammenschlüsse (auch Fusionen) unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen der Fusionskontrolle durch die Europäische Kommission oder das BKartA. Wann die Kontrolle greift und wer von beiden zuständig ist, richtet sich im Wesentlichen nach den Umsätzen der beteiligten Unternehmen (nach der 9. GWB-Novelle, über die wir hier bereits berichteten, neuerdings aber unter anderem auch nach dem Wert der Gegenleistung für den Erwerb). Die Kontrolle bezieht sich nicht nur auf vollständige Zusammenschlüsse, sondern zum Beispiel auch auf Minderheitsbeteiligungen oder den Kontrollerwerb mittels Betriebspacht/Betriebsüberlassung. Sie müssen angemeldet und dürfen erst nach Freigabe vollzogen werden. Allein beim BKartA liegen jährlich 1.000 bis 1.200 Zusammenschlüsse zur Prüfung.

Die Wettbewerbsbehörden prüfen, wie sich die Fusion auf den Wettbewerb auswirkt. Insbesondere wenn eine marktbeherrschende Stellung eines beteiligten Unternehmens entsteht oder verstärkt wird bzw. sonstige wettbewerbliche Nachteile für die betroffenen Märkte zu befürchten sind, muss sie grundsätzlich untersagt werden. An dieser Stelle können aber Verpflichtungszusagen eine bedeutende Rolle spielen. Sie erlauben es, einen angemeldeten Zusammenschluss unter Nebenbestimmungen (Bedingungen und Auflagen) freizugeben, obwohl er eigentlich untersagt werden könnte. Die betroffenen Unternehmen können der Wettbewerbsbehörde ihr Zusagenangebot grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens unterbreiten und so wettbewerbliche Bedenken ausräumen. Nicht beteiligte Unternehmen (insbesondere Konkurrenten) können eine solche Freigabe mit Verpflichtungszusagen gerichtlich kontrollieren lassen.

Welche Inhalte hat der neue Leitfaden?

Bisher herrschte häufig Unsicherheit, wie Verpflichtungszusagen auszugestalten sind, um ermittelte Wettbewerbsbehinderungen zu vermeiden. Der Leitfaden soll hier Licht ins Dunkel bringen und einen Einblick in die Entscheidungspraxis des Amtes und der Gerichte – vielfach gerade auch aus dem Energiebereich – gewähren. Man wolle dazu beitragen, dass Unternehmen ihre Zusagenvorschläge selbst möglichst präzise einschätzen können, um Zeit und Kosten zu sparen und die von einem Zusammenschluss erhofften betriebswirtschaftlichen Vorteile so weit wie möglich zu realisieren, sagte Andreas Mundt, Präsident des BKartA.

Auf 80 Seiten stellt das Dokument die wichtigsten Arten von Verpflichtungszusagen (insbesondere Veräußerungszusagen, Auflösung von Verflechtungen zu Wettbewerbern und Marktöffnungszusagen) dar und erläutert, welche Anforderungen an Erwerber zur Umsetzung ihrer Zusagen jeweils zu stellen sind. Außerdem wird der Verfahrensablauf bei Entgegennahme und Umsetzung von Zusagen beleuchtet, einschließlich der Rolle von Treuhändern und „Hold-Separate-Managern“. Zudem beinhaltet der Leitfaden sieben Seiten mit den gängigsten Definitionen. Gleichzeitig wird jedoch im Leitfaden betont, dass dieser nicht als vollständig und abschließend anzusehen ist, künftig neue Erkenntnisse eine Fortentwicklung des Prüfkonzepts erfordern könnten und dass der Leitfaden die Würdigung besonderer Umstände des konkreten Einzelfalles nicht ersetzen könne.

Das BKartA benennt im Leitfaden für die Ausgestaltung von Nebenbestimmungen im Wege der Zusage drei Grundsätze, und zwar, dass

  • Veräußerungszusagen in der Regel am besten geeignet seien, um wettbewerbliche Bedenken einer Fusion auszuräumen,
  • etwaige in Betracht kommende Verhaltenszusagen nicht zu einer laufenden Verhaltenskontrolle führen dürfen, und
  • aufschiebende Bedingungen (gegenüber auflösenden Bedingungen) vorzugswürdig seien, um wettbewerbsrechtliche Probleme zügig und effizient zu lösen.

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass sich die deutsche Zusagenpraxis immer mehr an den Entscheidungen der europäischen Gerichte und der Europäischen Kommission orientiert. Insbesondere im Hinblick auf die enge Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbsbehörden bei der Prüfung grenzüberschreitender Zusammenschlüsse ist das sehr zu begrüßen. Sowohl für die beteiligten Unternehmen als auch für Wettbewerber bietet der Leitfaden eine wichtige, wenn auch unverbindliche Orientierung.

Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch/Anna Lesinska-Adamson

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