Widerrufsbelehrung im Internet: „Häkchen“ ist unzulässig

(c) BBH
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Im Internethandel ist es nach wie vor weit verbreitet, sich mit „Checkboxen“ bestätigen zu lassen, dass der Kunde die Widerrufsbelehrung erhalten und/oder zur Kenntnis genommen hat. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) solche Checkboxen explizit für AGB-rechtswidrig erklärt (Az. III ZR 368/13) und ihnen jede Beweiswirkung abgesprochen. Das Urteil betraf zwar nicht unmittelbar die Energieversorgung. Die Auswirkungen für den Bereich des Abschlusses von Energielieferverträgen über das Internet sind aber nicht zu unterschätzen: Neben teuren Abmahnungen, wie sie im Internet stets drohen, können Energielieferanten bei Vertragsschluss über eine Webseite Lieferentgelte verlieren.

Hintergrund der Entscheidung

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Beklagte auf der Internetseite der Klägerin einen Lehrgang für Naturheilverfahren gebucht. Das Anmeldungsformular ließ eine Anmeldung nur zu, wenn zuvor eine Checkbox mit folgendem Inhalt angeklickt wurde:

„Widerrufserklärung: Widerrufsbelehrung zur Kenntnis genommen und ausgedruckt oder abgespeichert?“

Eine Kundin erklärte einige Monate später den Widerruf. Die Anbieterin sah den Widerruf als verspätet an und verklagte die Kundin auf Zahlung des gesamten Kurspreises, blieb hiermit jedoch in sämtlichen Instanzen und auch vor dem BGH erfolglos. 

Der BGH hielt den Widerruf der Kundin für fristgerecht und wirksam. Die Kundin sei nämlich nicht ordnungsgemäß – sprich: in Textform – über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Dafür genügt nach dem BGH die Darstellung der Widerrufsbelehrung auf einer gewöhnlichen Webseite („ordinary website“) – wie der Webseite der Klägerin – nicht. 

„Häkchen“ wirkungslos

Das Anklicken einer solchen „Checkbox” durch den Kunden soll laut BGH dazu dienen, die Beweislast dafür, dass die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß erteilt wurde, zu Gunsten des Betreibers umzukehren – was AGB-rechtlich unzulässig ist. Es handele sich dabei insbesondere nicht um eine ausnahmsweise zulässige, gesondert unterzeichnete Empfangsbestätigung. Ein „Häkchen“ in einem Anmeldeformular werde nämlich oftmals unbedacht gesetzt und sei daher nicht mit der eigenhändigen Unterzeichnung oder der Anbringung einer qualifizierten Signatur vergleichbar. Daher hat eine entsprechende „Checkbox“ nach dem BGH keinerlei Beweiswirkung.

Eine Sackgasse im Widerrufsrecht 

Die Entscheidung des BGH ist konsequent und stimmig, legt aber allzu offen, dass der deutsche (und europäische) Rechtsrahmen den Online-Geschäftsverkehr unnötig erschwert. Die Entscheidung betrifft die vor dem 13.6.2014 geltende Rechtslage, die Aussagen des BGH bleiben aber auch nach neuem Verbraucherschutzrecht uneingeschränkt gültig. 

Leider lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, wie man im Internet ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehren kann. Ob und unter welchen Umständen die Widerrufsbelehrung auf einer fortschrittlichen Webseite („sophisticated website“) die Textform erfüllt, ließ der Gerichtshof ausdrücklich offen.

Dabei ist Branche und Kunden mit einer solchen fortschrittlichen Webseite nicht immer geholfen. Mit einem „Zwangsdownload“ oder der Einrichtung eines sicheren, passwortgeschützten Bereiches, in dem die Widerrufsbelehrung für den Verbraucher hinterlegt wird – idealerweise mit vorgeschalteter, zwingender Anmeldung – würde den gesetzlichen Vorgaben zwar vermutlich Genüge getan. Solche Lösungen sind technisch durchaus anspruchsvoll, die Kosten stehen insbesondere für Betreiber von kleineren Online-Shops in aller Regel völlig außer Verhältnis. Sie dürften zudem vom Kunden eher als lästig empfunden werden und sind daher zusätzlich unattraktiv.

Besonderes Risiko für Energieversorger

Besonders prekär ist die Entscheidung des BGH für Energieversorger, die ihren Kunden den Abschluss von Energielieferverträgen im Internet ermöglichen möchten. Bei fehlerhafter Belehrung kann der Kunde Energielieferverträge maximal 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrufen – und muss in diesem Fall für die bis zum Widerruf empfangenen Energielieferungen keinen Wertersatz zahlen. Im schlimmsten Fall darf sich der Kunde, wenn er widerruft, über kostenlose Energie für mehr als ein Jahr freuen.

Auf Umwegen doch noch zur ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung

Energieversorger können dies jedoch vermeiden, auch ohne ihre Webseite kompliziert und teuer umzubauen. Sie können dem Kunden spätestens bei Vertragsschluss auf anderem Wege eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung in Textform zustellen. Es bietet sich an, dem Verbraucher die Belehrung samt Muster-Widerrufsformular gemeinsam mit der gesetzlich ohnehin erforderlichen elektronischen Bestellbestätigung per E-Mail zu übersenden.

So wird die ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nachgeholt. Die Widerrufsfrist beginnt dann jedenfalls mit Zugang dieser E-Mail beim Kunden. Glück im Unglück für Onlinehändler – die der Gesetzgeber bei der Überarbeitung des Rechts zum Verbraucherwiderruf zum 13.6.2014 offenbar nicht auf dem Schirm hatte.

Ansprechpartner BBH: Dr. Jost Eder/Alexander Bartsch
Ansprechpartner BBHC: Marcel Malcher/Olivia Schatz

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